Dieses konzeptionelle Rahmenwerk haben Forscher der Universitäten Zürich, Ulm sowie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne in einem gemeinsamen Forschungsprojekt entwickelt.
Unbewusste Verarbeitung
Die Forscher haben Daten aus veröffentlichten psychologischen Experimenten und Verhaltensversuchen geprüft. Das Modell der Fachleute schlägt eine zweistufige Informationsverarbeitung vor, wobei zuerst die unbewusste Stufe kommt: Das Gehirn verarbeitet bestimmte Merkmale von Gegenständen, etwa Farbe oder Form, und analysiert diese quasi kontinuierlich und unbewusst mit einer sehr hohen Zeitauflösung.
Ein Tennisspieler könnte beispielsweise bereits beginnen, auf einen kommenden Ball zu reagieren, bevor er ihn überhaupt bemerkt. Gemäss des Modells gibt es während dieser unbewussten Verarbeitung keine echte zeitliche Wahrnehmung. Stattdessen unterscheidet das Gehirn zwischen Merkmalen wie Dauer oder Farbveränderung, indem es ihnen zeitliche Markierungen zuordnet.
Der Prozess, vom Reiz bis zur bewussten Wahrnehmung, kann bis zu 400 Millisekunden dauern. (Symbolbild) /


Nachdem die unbewusste Verarbeitung abgeschlossen ist, verwandelt das Gehirn gleichzeitig alle Merkmale für einzelne Zeitpunkte in bewusste Wahrnehmung um.
Beträchtliche Verzögerung
Der gesamte Prozess, vom Reiz bis zur bewussten Wahrnehmung, kann bis zu 400 Millisekunden dauern, was aus physiologischer Sicht eine beträchtliche Verzögerung bedeutet. «Das Gehirn möchte uns die akkuratesten Informationen geben, was Zeit in Anspruch nimmt», erklärt Neurowissenschaftler Frank Scharnowski von der Universität Zürich. Es würde uns bloss verwirren, die unbewusste beziehungsweise ungenaue Verarbeitung bewusstzumachen.
«Im Gegensatz zur langjährigen Debatte über den kontinuierlichen beziehungsweise unterbrochenen Bewusstsseinsstrom, zeigt unser zweistufiges Modell umfassend, wie das Gehirn das Bewusstsein erzeugt. Ausserdem erklärt es, wie das Gehirn Zeit verarbeitet und diese auf unsere Wahrnehmung der Welt abstimmt», so Scharnowski. Das Modell konzentriere sich auf die visuelle Wahrnehmung. Laut den Studienautoren könnte sich die Zeitverzögerung bei anderen Sinnesinformationen, etwa akustischen oder olfaktorischen, unterscheiden.