Die jährliche Rede zur Lage der Nation ist eine verfassungsgemässe Verpflichtung des Präsidenten. Sie bietet dem Weissen Haus die Möglichkeit, sich bisher erbrachter Leistungen zu rühmen und Zukunftspläne zu skizzieren.
Bei dieser feierlichen Ansprache vor Kongressabgeordneten, Richtern, Botschaftern und Gästen stellte Obama zwar einige seiner Pläne vor, überging aber den entscheidenden Punkt seiner ganz persönlichen Agenda: den Auftakt des Wahlkampfs für seine Wiederwahl.
Erst vor wenigen Monaten wurden die Demokraten bei den Kongresswahlen von den Wählern abgestraft. Wenn die Amerikaner im November 2012 das nächste Mal an die Urnen gehen, steht Obamas eigener Posten auf dem Spiel. Doch trotz des Wahldebakels vom Herbst, das Obama sogar eingesteht, fallen die Prognosen für ihn immer besser aus.
Zufrieden mit Obamas Arbeit
Nachdem sich die US-Wirtschaft allmählich von der Rezession erholt und die Arbeitslosigkeit langsam sinkt, steigen Obamas Umfragewerte. In mancher Hinsicht schlägt er sich sogar besser, als es von etlichen seiner Befürworter erwartet wurde. «Trotz der Arbeitslosenquote von neun Prozent sind 55 Prozent der Befragten mit seiner Arbeit zufrieden – das ist wirklich ziemlich bemerkenswert», sagte der demokratische Wahlforscher Cornell Belcher. «Seine Politik trägt Früchte und das merken die Amerikaner.»
In seiner Heimatstadt Chicago hat Obama bereits begonnen, Mitarbeiter für seine Wahlkampfzentrale zu gewinnen. Auch Posten im Weissen Haus hat er teilweise neu besetzt.
So schnell handeln die möglichen Gegenkandidaten der Republikaner nicht.
Ein republikanisches Kongressmitglied verfolgt Obamas Rede. /


Sarah Palin, die ehemalige Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin, gilt zwar weiterhin als bekannteste potenzielle Gegenkandidatin, jedoch hat sie immer noch nicht öffentlich verkündet, ob sie zur Wahl antritt oder nicht. In den jüngsten Umfragen liegt Obama stets vor ihr und allen anderen Kandidaten, die von den Republikanern möglicherweise aufgestellt werden könnten.
Obama auf Konfrontationskurs
Obwohl das Rennen um die Präsidentschaft noch gar nicht richtig begonnen hat, verspricht die nächste Zeit sehr hart für den Präsidenten zu werden. Die Republikaner haben nun die Mehrheit im Repräsentantenhaus und wollen bei den politischen Entscheidungen der Regierung Obama auf Konfrontationskurs gehen.
Die Arbeitslosenzahlen sind nach wie vor hoch und auch die Staatsausgaben sind so gross wie nie zuvor. Beide Faktoren stellen ernstzunehmende Probleme für Obamas Wiederwahl dar. «Er ist kein frisch gewählter Präsident mehr», sagte Ari Fleischer, ehemaliger Sprecher des Weissen Hauses unter George W. Bush. «Es wird Zeit, ihn nach seinen Leistungen zu beurteilen.»
Jonathan Mann - POLITICAL MANN
Dieser Text stammt von Jonathan Mann, Moderator und Journalist bei CNN International. Er moderiert das wöchentliche Politmagazin «Political Mann» auf CNN International. Der Text steht in der Schweiz exklusiv für news.ch zur Verfügung.