Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Freitag, 16. September 2011 / 12:55 h
Der Trader Kweku Adoboli folgt in den Fussstapfen eines Jérome Kerviel, der vor einigen Jahren mit seinen Deals die französische Grossbank Société Générale um fünf Milliarden Euro gebracht hatte. Sie sassen beide am sogenannten Delta One Desk. An diesen Handelsplätzen werden Termingeschäfte, Schuldenhandel und ähnliche Transaktionen durchgeführt, bei denen das eingesetzte Kapital den damit bewegten Werten weitgehend entspricht (also nicht wie bei Optionen, die einen Hebel haben), das «Delta» also eins ist.
Diese in den meisten grossen Investment-Banken existierenden Abteilungen gelten eigentlich als sehr risikoarm. Doch eben nur eigentlich. Denn Delta One gilt als eine der letzten heissen Stellen im Banking, als eine Kasino-Abteilung, wo mit dem Eigenkapital der Bank das grosse Geld gemacht werden kann. Und wer in einer Bank viel Geld macht (und so die «ambitiösen» Renditeziele, welche von den CEO's verkündet werden, wahr machen), können damit rechnen, auch selbst reich belohnt zu werden.
Rauschende Lebensstil und 2 Milliarden Verlust: Kweku Abodoli /


Es ist eine Binsenweisheit, dass dort wo grosse Gewinne winken, auch das Risiko umso höher ist. Und umgekehrt das Risiko mit entsprechenden Gewinnen belohnt werden kann. Hätte Adoboli statt der zwei Milliarden Verlust für die UBS einen entsprechenden Gewinn erzielt, wir wüssten nichts davon und Adoboli, ganz egal, wie unkontrolliert er gehandelt hätte, müsste von der UBS vermutlich nichts anderes als einen Millionen-Bonus befürchten.
Und da liegt vermutlich eines der grösseren Probleme: Solange von den Banken nur das geahndet wird, was schief geht, wird sich nur wenig ändern. Natürlich scheint es im ersten Moment ziemlich irr, jemanden, der soeben einen dreistelligen Millionen-Gewinn erzielt hat, abzustrafen, aber wenn dies entgegen den etablierten Regeln passiert, gibt es eigentlich keine andere Möglichkeit, will man nicht Riesenverluste riskieren, wenn es in die Hose geht.
Doch so funktioniert es nicht, in unserer Gesellschaft: Wer gewinnt hat recht, auch wenn er eigentlich völlig daneben liegt. Erfolg definiert die Regeln, das Risiko ist dabei unerheblich, solange alles gut geht. Nur so lassen sich solche Trading-Desaster erklären oder auch die ganze Finanzkrise, die auf der Basis: «Wenn es nicht zusammenbricht, muss es ja gut sein», jahrelang vorbereitet wurde, um dann eben doch zusammen zu brechen.
Der 31-Jährige Adoboli, der sich mit seinem Bankergehalt scheinbar einen rauschenden Lebensstil finanzierte, schaffte es trotz angeblich stündlicher Kontrollen von allen Handelspositionen, zwei Milliarden US$ zu versenken, so die durch 3500 Entlassungen erzielten Einsparungen der UBS mit einem Schlag zunichte zu machen und wirft Fragen auf, wie wirksam die Finanzkontrollbehörden überhaupt sein können, denen die wilden Spekulationen von Adoboli nicht auffielen. Genauso leidet nun das mühsam wieder zusammen geflickte Image der UBS und der als «harter Hund» gefürchtete CEO Oswald Grübel muss sich wohl fragen lassen, warum er kein funktionierendes Controlling installierte, wo dies doch eines der wichtigsten Ziele bei seinem Postenantritt gewesen war, ein Versäumnis, dass schon bald von den Rating Agenturen als strukturelles Risiko abgestraft werden könnte.
In diesem Sinne könnte die UBS etwas von ihrem Ex-Angestellten und Milliarden-Verzocker übernehmen - und zwar den Facebook-Status, den dieser kurz vor seiner Festnahme geändert hatte: «I need a Miracle».