Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Freitag, 11. November 2011 / 15:00 h
Papandreou ist weg und Berlusconi hat seinen Abgang angekündet. Der «Erbe» und der «Cavaliere» machen - wie es aussieht, den Abgang, die Vertreter des korrupten alten Regimes sollen von Technokraten und Spezialisten übergangsmässig Ersetzt werden, bevor nach Neuwahlen eine neue Generation von Politikern in Italien und Griechenland das Ruder übernimmt.
Doch kann sich wirklich was ändern? Reicht es, die Köpfe auszuwechseln, oder sind die Probleme tiefer liegend? Ja und nein.
Berlusconi hat mit seiner Dominanz der italienischen Politik über Jahre hinweg bewiesen, dass eine Person mit den Mitteln ein genügend grosses und korruptes System aufzubauen, durchaus Dinge verändern kann. Nicht zum Guten hin, zwar, aber doch verändern. Abgeordnete wurden mit Posten und Geld beeinflusst, Gesetze auf den Regierungschef massgeschneidert, Bilanzen verfälscht, die Justiz blockiert und das Land - wie es aussieht - in den Ruin getrieben. Und das über mehrere Legislaturperioden hinweg.
Doch schon diese Aufzählung zeigt: Berlusconi mochte zwar die Richtung vorgegeben haben, aber er brauchte Helfer, gewissenlose Politschranzen, die ihm nachhechelten, korrupte Amtsträger und vor allem ein Volk, dass in ihm immer noch das geringste Übel sah und so ihn immer wieder wählte.
Dass sich Berlusconi nach dem Niedergang der Democrazia Cristiana (DC) und deren Paten Giulio Andreotti auf den Trümmern jener Rechtspartei etablieren konnte, zeigt eindrücklich, dass selbst der Kollaps von Machtstrukturen nicht unbedingt etwas besseres nachkommen lässt. Doch woran liegt dies?
Hier streiten sich Philosophen, Politikwissenschaftler und Kulturanthropologen darüber, aber vermutlich ist das Beharrungsvermögen von auch nur halbwegs funktionierenden Strukturen ausschlaggebend, dass, je mehr sich die Dinge ändern, desto mehr alles gleich bleibt.
So blieben nach dem Abgang der DC viele der Strukturen bestehen, befanden sich aber durch den drohenden Wandel in Gefahr.
Bewahrer morscher Strukturen: Silvio Berlusconi /


Berlusconi war für viele der Garant, dass der Lauf der Dinge nicht unterbrochen, oder gar umgekrempelt würde. Es war so eine Fortsetzung der Un-Rechtssicherheit gewährleistet.
Auch für die kleinen Bürger änderte sich so nur wenig. Und mit dem fleissigen Kulissenschieben ihres Premiers wurde auch der Blick auf die dräuende Katastrophe immer wieder verstellt und auch die EU so zum Narren gehalten. Irgendwie wussten das auch alle und das gefiel den Italienern vermutlich sogar. Doch wie schon Abraham Lincoln sagte: «You can't fool everybody, all the time».
Die Schuldenkrise hat die Spielregeln drastisch verändert und mit der anstehenden Kontrolle von aussen realisieren auf einmal auch bisherige Anhänger Berlusconis, dass es nicht reicht, strahlend zu lächeln und «bella figura» zu machen. Denn wer erst mal entmündigt ist, hat nichts mehr zu grinsen und muss - wohl oder übel an die Arbeit gehen und endlich den eigenen Schweinestall aufräumen, wenn er wieder Herr im eigenen Haus sein will.
Ja, was momentan abläuft ist grausam und ist zum Teil auch auf dem Mist der Banken gewachsen. Doch vieles ist eben auch dank jener Strukturen gediehen, die sich in diesen Ländern nach dem zweiten Weltkrieg gebildet haben, Strukturen die mindestens so undemokratisch und undurchsichtig waren, wie es nun der EU vorgeworfen wird.
Die momentane Krise ist eine grosse Gefahr für die Weltwirtschaft. Aber sie ist - wie viele schmerzhaften Ereignisse - auch eine Chance zum Wandel, eine Gelegenheit, die schädlichen Strukturen aufzubrechen und zu ersetzen. Deshalb wird es wichtig sein, dass jene, die sich nun aus der Politik verabschieden, um die Übergangsregierungen die «Drecksarbeit» machen zu lassen, auch nachher nicht mehr in die Regierungen kommen werden. Denn sonst wird uns eine Wiederholung des Dramas erwarten und all das Leiden, all die Mühe, einen Wandel zu erzielen wird nutzlos gewesen sein.