Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Freitag, 18. November 2011 / 12:09 h
Es kann jeder sehen und es weiss auch jeder: Die Verschuldung hat sich zu dem entwickelt, vor dem sich manche schon vor 30 Jahren gefürchtet hatten: Einer Falle fast ohne Entkommen. Die Logik ist dabei zwingend: Wenn Länder, die Budget-Überschüsse machen, fast so selten wie Einhörner sind, und Länder ohne Schulden noch seltener (von einigen mit Rohstoffen beglückten abgesehen), dann darf das mathematische Talent von Politikern durchaus hinterfragt werden.
Ja, sogar der Euro-Stabilitätspakt war an sich ein Witz, mit den 3% möglicher Neuverschuldung des Budgets pro Jahr, die fast jedes Mitglied ausnützte oder überschritt. Denn bereits nach 10 Jahren würde dies aus einem Staat ohne Schulden einen mit 34% Verschuldung machen, nach 20 Jahren stünden schon über 80% an und nach 30 Jahren betrüge die Verschuldung schon fast das 1.5 Fache des Budgets. Und wenn schon Schulden vorhanden waren, wird es einfach noch entsprechend heftiger. Dass diese einfache Rechenübung die meisten Politiker offenbar überforderte ist nun klar geworden, doch es muss irgendwas passieren, wenn nicht die Zukunft verpfändet werden soll.
Die Schulden sind aber mal da und was jetzt passiert, ist eine reine Feuerwehrübung. Die Frage ist nun aber: Können die Schulden auch wieder abgearbeitet werden? Ja. Abgearbeitet. Denn es reicht auch nicht, auf die Banken und deren Gewinne zu zeigen, die nun immer mehr Schrumpfen und sich zu einem guten Teil als die genau gleichen Wolkenkuckucksheime herausstellen, welche viele von deren Finanzgeschäften sind.
Die Tobin-Steuer würde zwar gewisse Einnahmen bringen, am Ende aber vor allem dafür sorgen, dass viel weniger rein spekulative Geschäfte gemacht würden (eine sehr wünschenswerte Entwicklung), was auch wiederum die Erträge daraus extrem verkleinern würde.
Am Ende muss realisiert werden, dass auch Wirtschaft und Politik die Naturgesetze nicht überwinden können. Sicher, Geld ist ein an sich imaginäres Gut. Doch im Endeffekt ist es «geronnene Arbeit», so altertümlich diese Bezeichnung auch sein mag.
Industrie: Wo Arbeit zu Geld gerinnt. /


Jeder Ertrag, jeder Gewinn muss irgendwo erarbeitet worden sein. Ob diese Arbeit auch fair belohnt wird oder nicht, ist eine andere Frage, doch es ist eine Umwandlung einer Sache unter Einsatz von Arbeit und Energie, Wissen und Produktionsmitteln in eine andere, höherwertige Sache. Der Abschied von dieser an sich banalen Wahrheit wurde lange unter dem Namen «Dienstleistungsgesellschaft» verkauft und damit kam auch der schrittweise Abschied von der Industrie. Politiker erträumten sich zusammen mit Investoren eine Gesellschaft, in der nur noch etwas Gedacht, Geschrieben, Spekuliert und Programmiert würde. Und tatsächlich sind auch manch solche Firmen entstanden, die nur von Ideen und deren Anwendung auf physischen Maschinen leben. Doch Dummerweise erfordert dies meist nur wenige Menschen, während die dafür immer noch nötigen Maschinen jetzt ganz wo anders hergestellt und meist auch betrieben werden.
Mit der Industrie wandert auch immer mehr industrielles Wissen, Wissen um Fertigung und Verarbeitung, aus unseren Ländern ab. Es droht ein Brain-Drain nicht nur oben sondern auch in der Mitte. Die Frage ist an vielen Orten, ob es nicht schon zu spät ist, den Niedergang zu stoppen. Doch den Versuch ist es auf alle Fälle wert. Zudem würde dann auch wieder ein Gegengewicht zur «virtuellen» Finanzindustrie entstehen.
Doch um dies möglich zu machen müsste die oben erwähnte Tobin-Tax (nicht primär als Einnahmenquelle sondern als Spekulationsbremse) eingeführt werden, die Banken müssten wieder in Investment- und Kreditbanken aufgeteilt und die Ausbildung in Industriejobs in vielen Ländern ebenso wie deren Image aufgewertet werden. Zudem müsste auch wieder die Wirtschafts-Unabhängige Grundlagenforschung gestärkt werden (aus den Tobin-Tax-Einnahmen?), denn es müssen Felder besetzt werden, die jetzt noch nicht vollständig erobert sind oder gar definiert sind.
Dass ausgerechnet Deutschland in Europa immer noch recht gut dasteht (auch wenn auch dort einiges im Argen liegt), hat nicht zuletzt mit der immer noch starken Industrie zu tun, die tatsächlich Werte schafft. Auch die Schweiz hat ein - nun leider durch den starken Franken geschwächtes - industrielles Rückgrat, und könnte sogar als ein Beispiel dazu dienen, wie auch Europa wieder auf die Beine kommen könnte: Mit Innovation und hoher Wertschöpfung durch Qualität und Kreativität.
Die Idee von Europa als Dienstleistungskontinent ist gestorben. Die Industrielle Re-Revolution wäre angesagt und damit die Aufwertung von Arbeit und am Ende der Ausstieg aus dem Schuldenloch.