Dass ausgerechnet Xabi Alonso in seinem 100. Länderspiel mit einer Doublette zum herausragenden Spieler der Partie avanciert war, passte zum Auftritt der Spanier in der Donbass Arena. Nicht offensive Brillanz, das viel zitierte «Tiqui-Taca» oder überragende Einzelaktionen ebneten den Iberern den Weg zum Sieg, sondern defensive Solidität und Effizienz im Abschluss zeichneten den Welt- und Europameister aus. Xabi Alonso vereinte am Samstagabend beides. «Er weiss immer genau, wo er hinspielen muss, ist sehr teamfähig und hat auch offensive Qualitäten», lobte Del Bosque seine Nummer 14. «Xabi Alonso ist ein kompletter Sechser.»
Mit dem Doppeltorschützen, der mit einem Kopfball (19.) und einem Foulpenalty (91.) getroffen hatte, und seinem Adjutanten Sergio Busquets, der vor zwei Jahren zum Team gestossen war, ernteten am Samstag für einmal jene Spieler die Lorbeeren, die sonst weniger Schlagzeilen produzieren. Die beiden stehen sinnbildlich für die defensive Stabilität, die sich das spanische Team bereits unter Luis Aragones, nun aber vor allem unter Del Bosque an Endrunden angeeignet hat. Nur einen Gegentreffer kassierte die «Seleccion» in bisher vier Spielen in Polen und der Ukraine; gegen Gegner wie Italien, Kroatien und Frankreich.
Seit dem Beginn der spanischen Erfolgsserie 2008 liessen die Iberer in 17 Endrundenspielen nur sechs Gegentore zu, nie mehr als einen Gegentreffer pro Spiel. Elf Mal spielten sie folglich zu null - unter anderen in allen acht K.o.-Spielen! Es sind eindrückliche Zahlen und belegen, dass unter Del Bosque, zweimal Champions-League-Sieger mit Real Madrid (2000, 2002), der Spielstil der «Seleccion» nüchterner geworden ist. Ballbesitz bleibt das oberste Gebot. Auch gegen Frankreich kontrollierten Xavi, Iniesta und Co. mehrheitlich den Ball. Damit werden beim Gegner die Chancen minimiert, um solche zu kreieren.
Nicht mitreissend und begeisternd, aber nüchtern, effizient und erfolgreich: Spanien auf Titelkurs. /


Hatten sich die Italiener und die Kroaten in der Vorrunde noch ein paar dieser Gelegenheiten erarbeitet, geriet das Tor von Iker Casillas gegen Frankreich mit Ausnahme eines Freistosses von Yohan Cabaye in der ersten Halbzeit nie in Gefahr.
Noch hat Spanien die Fachwelt an der diesjährigen Endrunde nicht restlos überzeugt. Xavi Hernandez, Spielmacher und Taktgeber im Mittelfeld, ist auf der Suche nach seiner Topform noch nicht fündig geworden. Mit 136 Pässen im Spiel gegen Irland - 127 (!) kamen beim Mitspieler an - stellte er zwar einen EM-Rekord auf, dennoch trat er bislang weniger dominant auf als an den letzten beiden Turnieren. Im Sturmzentrum können weder Fernando Torres noch Cesc Fabregas den Ausfall von David Villa kompensieren, und auch Andres Iniesta und David Silva, die beiden stärksten Spieler der Vorrunde, setzten gegen Frankreich für einmal kaum Akzente - dafür die hervorragend organisierte Defensive.
Hinter den defensiven Mittelfeldspielern Alonso und Busquets, die eine grosse Ruhe ausstrahlten und kaum Fehler begingen, überzeugte auch das Innenverteidiger-Duo Gerard Piqué und Sergio Ramos. Der Real-Verteidiger weiss Carles Puyol zumindest auf dem Feld bisher problemlos zu ersetzen. «Gerard und ich werden von Spiel zu Spiel besser», hatte Ramos vor dem Duell mit Frankreich gesagt und liess auf dem Feld Taten folgen. Die defensive Achse der «Roja» schaltete die französische Zentrale fast komplett aus. Yann M'Vila, Cabaye und Florent Malouda hatten kaum Einfluss auf das Spiel, Karim Benzema kam nie gefährlich in den Abschluss und verabschiedete sich ohne Torerfolg von der EM. Die spanische Zeitung «As» brachte es auf den Punkt: «Wir waren die Katze und sie die Maus. So einfach ist das.»
Der Auftritt der Spanier gegen Frankreich erinnerte an jene vor zwei Jahren an der WM in Südafrika. Schritt für Schritt hatte sich die «Seleccion» auf ihrem Weg zum ersten WM-Titel gesteigert. Ihre besten Leistungen sparten sich die Spanier für den Halbfinal gegen Deutschland und den Final gegen Holland auf. Basierend auf einem glänzend eingespielten Abwehrverbund kassierten die Iberer in der K.o.-Phase keinen Gegentreffer mehr und setzten sich jeweils mit dem knappsten aller Resultate durch: einem 1:0. Ohne Brillanz, nicht mitreissend und begeisternd, aber nüchtern, effizient und erfolgreich - im spanischen Titel-Modus eben.