Eine Woche nachdem Mitt Romney ihn zu seiner Nummer zwei erkoren hat, ist der neue Star der amerikanischen Politiklandschaft vielen Wählern nach wie vor ein Rätsel.
«Paul Ryan ist brillant», sagte zum Beispiel Parteikollege und Kongressabgeordneter Randy Forbes. «Er hat bereits vor dem Frühstück mehr gute Ideen als die meisten anderen in ihrer ganzen Karriere.»
Die Demokraten hingegen schlossen Ryan schnell in ihre Dauerangriffe auf Romney als Vorkämpfer der Reichen ein.
«Mit Paul Ryan hat Mitt Romney einen Kandidaten gefunden, der für die Wirtschaft und den Haushalt des Landes Sanierungspläne vorschlägt, die für Leute wie Mitt Romney geradezu ideal wären», lautete der Kommentar des demokratischen Kongressabgeordneten Chris Van Hollen.
Ryan ist kein gewöhnlicher Abgeordneter, sondern sportlich, sparsam und fasziniert von Zahlen
Seit über einem Jahr gibt er für seine Kollegen im Fitnessstudio auf Capitol Hill den Anführer und trainiert mit ihnen ein knallhartes Workout. Er schläft auf einer kleinen Liege in seinem Büro und die genaue Berechnung des wachsenden Schuldenstandes des Landes in Höhe von 15 Billionen Dollar zählt zu seinen grossen Leidenschaften. Er ist der festen Überzeugung, dass Amerika eine wirtschaftliche Katastrophe droht, sollten nicht bald schmerzhafte Einschnitte gemacht werden.
«Paul Ryan ist brillant». /


Zudem plädiert er für weitreichende Haushaltskürzungen, die bislang sogar den meisten Republikanern zu radikal waren.
Seine Vorschläge, die inzwischen als der «Ryan-Budgetplan» bekannt sind, finden unter seinen Kollegen nach und nach immer mehr Unterstützung.
Als Romney ihn zu seinem Vizekandidaten ernannte, wurden Ryans Vorschläge zum Schuldenabbau unmittelbar im Wahlkampf verwendet. Joe Biden brachte kein vergleichbares Gepäck mit an Bord, als er vor vier Jahren Obamas Wahlkampfbus bestieg.
Die Auswirkungen spürte man sofort: Umgehend griffen die Demokraten Ryans Vorhaben an, mit der Änderung der «Medicare», Amerikas Gesundheitsversicherung für Ältere, eine Menge Geld zu sparen.
Die Republikaner antworteten, indem sie ihre Angriffe auf Obamas Reform des Gesundheitswesens wieder aufnahmen und die möglichen Folgen für ältere Amerikaner betonten.
Die Reform von Medicare könnte Millionen Wähler betreffen. Diese neue Debatte zeigt, wie extrem sich der Wahlkampf noch verändern könnte.
Romney versuchte bislang, die Wahl im November zu einem Referendum darüber zu machen, wie Obama in den letzten Jahren mit der notleidenden Konjunktur Amerikas umgegangen ist. Obama hingegen wollte die Wahl zu einem Referendum über Romneys Vermögen werden lassen.
Inzwischen hat der Wettstreit der beiden Kandidaten möglicherweise einen neuen Schwerpunkt: Die Ideen eines dritten Mannes, der erst seit einer Woche im Rennen ist.
Jonathan Mann
Dieser Text stammt von Jonathan Mann, Moderator und Journalist bei CNN International. Seine Kolumne steht in der Schweiz exklusiv für news.ch zur Verfügung. Mehr über das US-Wahljahr 2012 unter http://edition.cnn.com/ELECTION/2012.