«Die Wahl muss erstmal sich selbst überlassen werden. Jetzt geht es darum, Leben zu retten», verkündete Barack Obama. Der Präsident sagte sämtliche Wahlkampfauftritte ab und besuchte stattdessen Krisensitzungen und die Katastrophengebiete, was ihm eine Menge positive Schlagzeilen bescherte.
Mitt Romneys Berater gaben bekannt, dass der Republikaner seinen Wahlkampf unterbrechen wolle, aus «Rücksichtnahme auf die Millionen Amerikaner, die von Hurrikan Sandy betroffen» seien. Kurzerhand wurde in Ohio, dem wichtigsten «Swing State», der die Wahl entscheiden könnte, ein bereits geplanter Wahlkampfauftritt in ein sogenanntes «Storm Relief Event» umbenannt. Dort wurden Spenden für die Opfer gesammelt; kurz darauf setzte Romney seinen Wahlkampf jedoch wie geplant fort.
Durch Hurrikan Sandy wurde schnell ein krasser Gegensatz deutlich: Während sich Präsident Obama mit den Experten der Zivilschutzbehörde FEMA beriet, versuchte Romney vor allem den Eindruck zu zerstreuen, er wolle nach seinem Wahlsieg diese Behörde abschaffen, wie er zuvor im Wahlkampf angedeutet hatte.
Republikaner Chris Christie dankt Präsident Obama
Zudem schuf Sandy eine neue, gänzlich unerwartete Partnerschaft zwischen dem Präsidenten und einem seiner grössten und bekanntesten Gegner, dem Republikaner Chris Christie. New Jerseys Gouverneur, dessen Bundesstaat am schlimmsten vom Sturm getroffen wurde, arbeitete in den letzten Tagen eng mit Obama und seinen Regierungsbeamten zusammen. Der Republikaner war zusammen mit dem Präsidenten im Hubschrauber unterwegs, um sich einen Überblick über die betroffenen Gebiete zu verschaffen und sagte, er könne «dem Präsidenten gar nicht genug für seine persönliche Anteilnahme und seinen Einsatz danken».
In den Umfragen, die vor dem Sturm durchgeführt wurden, lagen Romney und Obama landesweit nahezu gleichauf.
Barack Obama mit Chris Christie: Eine neue Partnerschaft? /


Nach CNNs neuestem «Poll of Polls», einem gewichteten Durchschnittswert verschiedener Umfragen, kam Romney auf 48 Prozent und Obama auf 47 Prozent.
Auch in den hart umkämpften Swing States liefern sich die beiden weiterhin ein Kopf-an-Kopf-Rennen. In Amerika gilt in jedem Bundesstaat das Mehrheitswahlrecht. Jeder Bundesstaat entsendet anhand der Grösse und Bevölkerungszahl eine bestimmte Anzahl an Wahlmännern, die schliesslich den Präsidenten bestimmen.
Jeder einzelne Staat hat zudem eigene Regeln und Vorgaben bei der Wahl. Landesweit ist Dienstag der eigentliche Wahltag, doch in vielen Bundesstaaten kann man schon zuvor seine Stimme abgeben. Millionen Amerikaner haben von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht. New Jersey und New York, die beiden Staaten, die von Sandy am schlimmsten getroffen wurden, stimmen bei der Präsidentschaftswahl gewöhnlich für den Kandidaten der Demokraten; der Ausgang der Wahl dort gilt als relativ gesichert.
Doch selbst in Staaten, die nicht mit voller Wucht vom Sturm getroffen wurden, beeinträchtigte Sandy die vorzeitige Stimmabgabe durch Stromausfälle, Verkehrschaos und jenem nasskalten Wetter, das sich gewöhnlich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirkt.
Im hart umkämpften Virginia, wo die beiden Kandidaten gleichauf liegen, mussten viele Wahllokale zeitweise wegen Überflutungen in der Umgebung oder Rekordschneefällen andernorts schliessen.
Virginia arbeitete fieberhaft daran, den Wählern zusätzliche Möglichkeiten zu bieten, ihre Stimmen abzugeben. Auch im Rest des Landes geht man bislang davon aus, dass die Wahl am Dienstag, dem traditionellen Wahltag, ungehindert stattfinden kann.
Doch wenn das Wahlergebnis bekannt ist und die Experten die Möglichkeit bekommen, die Zahlen zu überprüfen und das Resultat zu erklären, wird in ihrer Auswertung zu Barack Obamas oder Mitt Romneys Erfolg garantiert auch Sturm Sandy erwähnt werden.
Jonathan Mann
Dieser Text stammt von Jonathan Mann, Moderator und Journalist bei CNN International. Seine Kolumne steht in der Schweiz exklusiv für news.ch zur Verfügung. Mehr über das US-Wahljahr 2012 unter http://edition.cnn.com/ELECTION/2012.