«Ich begreife, dass es sich um die Reaktion einer soeben verurteilten Person handelt. Berlusconi bekleidet jedoch öffentliche Ämter, daher würde man sich von ihm ein respektvolleres Verhalten gegenüber der Justiz erwarten», sagte ANM-Präsident Rodolfo Sabelli. Zwar könne das Urteil gegen Berlusconi politische Auswirkungen habe, niemand dürfe jedoch der Justiz Respektlosigkeit zeigen.
Erstmals in seiner politischen Karriere ist Berlusconi rechtskräftig verurteilt worden: Das Kassationsgericht in Rom bestätigte am Donnerstagabend in letzter Instanz eine vierjährige Haftstrafe wegen Steuerbetrugs gegen den Medienmagnaten, verwies ein fünfjähriges Ämterverbot aber zur Neuverhandlung an ein Mailänder Berufungsgericht zurück.
Verbitterter Berlusconi
Wegen einer Amnestie wird Berlusconi jedoch lediglich ein Jahr Haft absitzen müssen. Er wird sehr wahrscheinlich unter Hausarrest kommen müssen, allerdings offenbar erst im Oktober.
In einer vom italienischen Fernsehen ausgestrahlten Videobotschaft wandte sich Berlusconi am Donnerstagabend an die Italiener.
Der Richterverband bezeichnete Berlusconis Worte als «unannehmbar und verantwortungslos gegenüber der Justiz». (Archivbild) /


«Am Ende meiner Karriere wird der 20-jährige Einsatz für dieses Land mit Beschuldigungen und einem Urteil belohnt, das jeder Grundlage entbehrt», protestierte der verbittert wirkende Politiker.
Er habe «niemals ein Steuerbetrugssystem auf die Beine gestellt», sondern als Bau- und Medienunternehmen vielmehr «zum Reichtum des Landes beigetragen», betonte Berlusconi, der mehrmals gegen die Tränen zu kämpfen schien. Aufgenommen wurde das Video in Berlusconis Residenz Palazzo Grazioli im Zentrum von Rom.
«Forza Italia» wiederbeleben
«Dieses Land ist nicht gerecht», fügte der dreimalige Ministerpräsident hinzu. Das Urteil beraube ihn seiner «Freiheit und politischen Rechte» und dies noch dazu am Ende «seines aktiven Lebens».
Dennoch kündigte er an, dass er als Politiker weitermachen und seine frühere Partei Forza Italia wiederbeleben zu wollen, die Berlusconi bei seinem Eintritt in die Politik 1994 gegründet hatte.
Berlusconis Verurteilung löste Bestürzung in seinem Mitte-rechts-Lager aus. Mehrere Vertraute des Grossunternehmers erklärten sich zum Rücktritt bereit, um ihre Solidarität mit dem TV-Tycoon zu bezeugen.
Politische Turbulenzen
Berlusconis Mitte-rechts-Partei «Volk der Freiheit» (PDL) ist die zweitstärkste Gruppierung in der Regierungskoalition von Premier Enrico Letta.
Der Koalition drohen indes Turbulenzen: Viele Linkspolitiker haben eine Zusammenarbeit mit der PDL ausgeschlossen, wenn diese fortan von einem verurteilten Steuerbetrüger geführt würde.
Auch die PDL könnte die Koalition aus Ärger über das vermeintlich politisch motivierte Urteil gegen ihren Vorsitzenden platzen lassen. Letta bemühte sich nach dem Urteil um versöhnliche Töne. «Zum Wohl des Landes sei nun Ruhe angebracht sowie Respekt vor der Justiz und ihren Entscheidungen.»