«Als Junge habe ich Marihuana geraucht, und ich halte es für eine schlechte Angewohnheit und ein Laster - nicht viel anders als die Zigaretten, die ich früher geraucht habe», sagte Obama diese Woche in einem Interview mit dem New Yorker Magazin. «Ich denke nicht, dass es gefährlicher ist als Alkohol.»
Seit Beginn des Jahres ist der US-Bundesstaat Colorado der erste Ort auf der Welt, an dem es einen ganz legalen und regulierten Marihuana-Markt gibt.
Der Rest des Landes beobachtet das Treiben erstaunt, empört oder amüsiert, und wartet gespannt, was passiert, wenn sich ein ganzer Staat plötzlich zudröhnen darf.
In Wahrheit sind die Auswirkungen jedoch wenig bemerkenswert. Seit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar diesen Jahres, kam es weder zu einem massenhaften Auftreten von Gewalt, der vermehrten Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen oder unkontrollierbaren nächtlichen Heisshungerattacken. Colorados Experiment hat sich schnell von einer Sensationsnachricht in einen Normalzustand verwandelt. Auch im Bundesstaat Washington, der im Nordwesten der USA liegt, hat man den Verkauf und Genuss von Cannabis legalisiert. In wenigen Monaten soll es auch dort möglich sein, in bestimmten Läden offiziell Marihuana zu kaufen. Insgesamt 18 Bundesstaaten sowie Washington, D.C., gestatten in Ausnahmefällen den Konsum von Marihuana, vor allem für medizinische Zwecke.
Der Wandel in der Gesellschaft ist spektakulär. In Amerika verteufelte man den «Kifferwahn», wie ihn ein Hollywoodfilm einst bezeichnete, bereits vor dem Zweiten Weltkrieg, und zwar lange Zeit, bevor das Land Gefahren durch Nazis und Kommunisten wahrnahm.
Marihuana gelangte Anfang des 20. Jahrhunderts mit den mexikanischen Einwanderern in die USA. Schnell wurde die Droge mit all den Vorurteilen in Zusammenhang gebracht, die man den Mexikanern nachsagte: Faulheit, Laszivität und Kriminalität.
Krieg gegen Drogen
In den 70er Jahren erklärte Nixon «den Krieg gegen Drogen» (War on Drugs) und Ronald Reagan schloss sich später diesem Kampf an, der laut der amerikanischen Bürgerrechtsunion ACLU jährlich mehr als dreieinhalb Milliarden Dollar gekostet hat.
Der Sieger nach all den Jahren ist aber das Marihuana.
In Colorado ganz legal. /


Heute konsumieren die Amerikaner Cannabis öfter als alle anderen illegalen Drogen zusammen. Unsere letzte Umfrage ergab, dass 52 Prozent der Amerikaner einräumen, in ihrem Leben mindestens einmal Gras geraucht zu haben. Da Befragte im Allgemeinen dazu neigen, ihre Laster zu verschweigen, dürfte die Dunkelziffer weit höher liegen.
Vielleicht ist das der Grund, warum ganze 55 Prozent der Amerikaner der Meinung sind, man solle Marihuana legalisieren. Das sind mehr als doppelt so viele Menschen wie in den 90ern und mehr als dreimal so viele wie in den 70er und 80er Jahren.
USA kein Ausnahmefall
Die USA sind damit kein Ausnahmefall. Seit Dezember ist in Uruguay der Anbau von Cannabispflanzen legal. Im Laufe des Jahres wird zudem der rechtliche Rahmen geschaffen, der den offiziellen Verkauf der Droge ermöglichen soll.
Die Niederlande, die für ihre liberale Drogenpolitik bekannt sind, legalisierten Marihuana zwar nie gänzlich, doch der Konsum wird toleriert. In Portugal wird der Besitz geringer Mengen ähnlich wie ein Parkverstoss geahndet. Und die kanadische Regierung gibt Marihuana zur medizinischen Verwendung an bedürftige Patienten ab.
Krieg gegen Drogen lange nicht vorbei
Damit ist Amerikas Krieg gegen Drogen aber noch lange nicht vorbei. In den meisten Staaten sowie auf Bundesebene ist Marihuana nach wie vor illegal. Jedes Jahr werden hunderttausende Menschen wegen Drogenbesitzes verhaftet.
Die Ungereimtheiten zwischen den geltenden Bundesgesetzen und der Rechtslage in den einzelnen Bundesstaaten sowie zwischen der Überwachung und der öffentlichen Meinung sind erstaunlich und verwirrend - selbst für Amerikaner mit klarem Kopf.
Doch wenn Marihuana mehr und mehr Akzeptanz findet, und das sogar im Weissen Haus, dann ist es auch nicht länger gesetzlich vorgeschrieben, einen klaren Kopf zu behalten.
Über Jonathan Mann:
Jonathan Mann ist Moderator und Korrespondent bei CNN International. Er berichtet regelmässig aus der Zentrale des Nachrichtensenders in Atlanta und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Print-, Radio- und TV-Journalismus. Seine Kolumne steht in der Schweiz exklusiv für news.ch zur Verfügung.