Vor einer Krisensitzung im Elyséepalast forderte Premier Valls als Reaktion, Europa müsse neu ausgerichtet werden, um Wachstum und Beschäftigung stärker zu fördern. Ausserdem versprach er den Franzosen im Sender RTL weitere Steuererleichterungen.
In Frankreich löste der Wahlsieg des rechtsextremen Front National (FN) ein politisches Erdbeben aus. Die Partei von Marine Le Pen wurde nach vorläufigen offiziellen Ergebnissen mit gut 25 Prozent der Stimmen erstmals stärkste politische Kraft vor der konservativen Oppositionspartei UMP. Die Sozialisten von Staatspräsident François Hollande stürzten auf 14,5 Prozent ab.
Ende der europäischen Integration
Von Grossbritannien aus rief UKIP-Chef Nigel Farage nach seinem «Jahrhundertsieg» ein Ende der europäischen Integration aus. Die europafeindliche Partei kam auf mehr als 27 Prozent der Stimmen. Farage sprach von der «aussergewöhnlichsten Wahl in 100 Jahren», weil erstmals keine der etablierten Parteien eine nationale Wahl gewinnen konnte.
Die Tories von Premier David Cameron landeten hinter der Labour Party auf Platz drei.
EU-kritische Parteien wurden bei den Europawahlen deutlich mehr gewählt. /


«Die Menschen sind von der EU tief enttäuscht», schob der konservative Regierungschef am Montag im BBC-Radio den Schwarzen Peter nach Brüssel. «Die Menschen wollen Veränderungen, und ich habe die Botschaft vollständig empfangen und verstanden.» Cameron hat den Briten für 2017 ein Referendum über den Verbleib in der EU zugesagt.
Auch in Dänemark siegten die Rechtspopulisten von der Dänischen Volkspartei (DF) mit knapp 27 Prozent. In Österreich kam die rechtspopulistische FPÖ mit knapp 20 Prozent auf den dritten Platz.
Mehr EU-kritische Abgeordnete
Insgesamt werden im neuen EU-Parlament etwa 140 von insgesamt 751 Abgeordneten von eurokritischen bis hin zu EU-feindlichen Parteien sitzen. Die konservative Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören, bleibt mit 212 Mandaten stärkste Kraft, auch wenn sie 61 Sitze verlor.
Die Sozialdemokraten kommen einer Projektion des EU-Parlaments vom Montagmittag zufolge auf 187 Sitze, sodass der Rückstand auf 25 Sitze schmilzt. Drittstärkste Kraft bleiben die Liberalen mit 72 Abgeordneten, gefolgt von den Grünen mit 55 Mandaten.
Mit dem EVP-Sieg sind die Chancen des luxemburgischen Ex-Premiers Juncker auf den Posten des EU-Kommissionschefs gestiegen. Allerdings beanspruchten auch die Sozialdemokraten den Posten für ihren Spitzenkandidaten Schulz.
Die EU-Staats- und Regierungschefs, die den Chef der Brüsseler Behörde vorschlagen, müssen das Wahlergebnis berücksichtigen. Bis die Personalentscheidung steht, könnte es noch Wochen dauern. Möglich ist, dass am Ende dabei ein Kompromisskandidat herauskommt.