Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Dienstag, 3. Juni 2014 / 11:59 h
Es ist derzeit schwer, sich für die EU zu begeistern. Nein, das wird einem nicht einfach gemacht. Doch auch die EU hat es nicht einfach, leidet Europa doch an einer multiplen Persönlichkeitsstörung sondergleichen.
Dies liegt nicht zuletzt daran, dass man sich in Europa immer weniger zu den eigenen Werten bekennen mag, weil man scheinbar gar nicht mehr weiss, was diese sind. Die auf Deutschland ausgerichtete Wirtschaftspolitik, welche die Bundesrepublik zum ökonomischen Giganten gemacht hat, während diese Rahmenbedingungen für andere Mitglieder (wie zum Beispiel Spanien und Portugal) die Voraussetzungen für deren Absturz vorbereitet hatten, machten Deutschland zu einem paneuropäischen Feindbild, derweil dieses immer dominanter zum ungeliebten Hauptzahlmeister mutierte.
Gleichzeitig schoben und schieben Politiker gerne die Schuld an Brüssel weiter, ganz egal, wie hausgemacht die Probleme, welche ihre Wähler stören. Korruption in Griechenland, Banken ausserhalb jeder Kontrolle in Spanien, unflexible Industrie in Frankreich - Brüssel ist schuld. Und gerne wird so getan, als wäre ohne die EU alles viel besser.
Jean-Claude Juncker: Auf die Abfallhalde für ausgelutschte Politiker? /


Kein Gedanke wird daran verschwendet, dass Rezessionen auch schon ganz unabhängig von einem vereinten Europa stattgefunden haben, Krisen hausgemacht sein können und politische Inkompetenz ein Rohstoff ist, der fast überall aus heimischen Quellen im Übermass gefördert werden kann.
Das Postengeschacher um den Kommissionspräsidenten und die Tatsache, dass dort, wo ein Mann oder eine Frau mit einer klaren Vorstellung von dem Europa wie es sein soll und entsprechender Gestaltungskraft und nicht eine Person, die vor allem seine Klientel bewirtschaftet, hin gehört, ist scheinbar vergessen gegangen. Oder wird bewusst verdrängt.
Denn seit Jahren wird Europa immer mehr zu einer Ansammlung von Staaten, die sich gegenseitig weit weniger leiden können als irgendwelche Nation von ausserhalb. Das Einstehen für Werte und Ideale und der klare Wille, diese vor Allem zum Vorteil der Bürger in der EU zu verwirklichen, wäre den Nationalpolitikern ein Dorn im Auge.
So wird die EU-Kommission mit ihren riesigen Kompetenzen zur Abfallhalde für ausrangierte Politiker und die EU selbst als der politische Müllhaufen wahrgenommen, zu dem sie von Merkel, Hollande, Orban, Cameron und Co. nur allzu gerne gemacht wird.
Nur logisch, dass Demontierer wie FN, UKIP und AfD Zulauf en Masse bekommen, denn wer nicht gestaltet wird irgendwann ersetzt.
Die EU steht immer noch vor den Problemen Massenarbeitslosigkeit, Verschuldung, Unterlaufen der Gesetze durch multinationale Firmen, Flüchtlingsströme, Ukraine, Syrien, Korruption und Energiewende. Um nur einige zu nennen. Eigentlich genug um zu sehen, dass es Gestaltungskraft, Energie und den Willen, etwas zu machen bräuchte.
Das Geschachere und Geschiebe nach der Schock-Wahl lässt jedenfalls nicht darauf schliessen, dass sich nun wirklich was ändern wird. Aber die etablierten Politiker sehen in den Anti-EU-Parteien offenbar eher eine Chance, im Sündenstall Brüssel noch einen speziellen Sündenbock zu markieren, um von den Unzulänglichkeiten der eigenen Politik abzulenken.
Denn eines sollte klar sein: Europa wird (noch) nicht von den EU-Skeptikern demontiert, sondern von den in ihrer Entzweiung geeinten EU-Regierungen. Die EU-Skeptiker werden erst zum Abwracken kommen, wenn nochmals eine Legislaturperiode länger so weiter gewurstelt wird.