«Als wir ankamen, stiegen zwei Jungs und ein Mädchen nackt aus einem Teich», berichtet sie. Es folgten vier Tage wilder Rockmusik, Drogen, Tanzen im Schlamm, viel nackte Haut. «Vor lauter Staunen habe ich meinen Mund nicht mehr zubekommen», erinnert sich Dean, die heute als Informatikerin für IBM arbeitet.
Die damals 17-jährige Schülerin ahnte nicht, dass sie der Geburt eines Mythos' beiwohnte. Woodstock gilt heute, 40 Jahre später, als grösstes Rockkonzert aller Zeiten. Fast eine halbe Millionen Menschen hatten sich auf einer regennassen Wiese bei Bethel im Bundesstaat New York versammelt.
Hoffnung auf friedliche Welt
Befeuert von Rockgrössen wie Jimi Hendrix und Janis Joplin gaben sie sich der Hoffnung auf eine friedliche Welt hin. Freie Liebe, Drogen, ungezügelter Spass: Es war der Höhepunkt der Hippie-Bewegung, die demonstrative Abkehr vom Establishment.
Mel Lawrence zählte damals zu den Organisatoren des Festivals. Er hält es für ein Wunder, dass das Konzert nicht im Chaos unterging. «So etwas kann man nicht planen», sagt er. «Es kamen einige ziemlich wunderliche Umstände zusammen.»
Er erinnert den Ansturm der Menschenmassen, die statt der erwarteten 100'000 schnell auf über 400'000 anschwollen.



Vier Tage wilde Rockmusik - von der nicht alle etwas mitbekamen. /


An die kreative Improvisation, die ein Fiasko verhinderte: «Schon am zweiten Tag ging das Essen aus», berichtet Lawrence. Anwohner spendeten Essen, örtliche Farmer lieferten eilig Produkte.
«Eine wilde Zeit»
Was Woodstock-Zeitzeugen noch heute fesselt, ist die Friedfertigkeit der Menschenmenge. Der heute 73 Jahre alte Robert Fink sollte als Polizist in Woodstock für Ordnung sorgen. Er glaubt das Geheimnis der sanftmütigen Stimmung zu kennen: «Ich würde sagen, die Hälfte von denen war auf Droge», sagt Fink.
«Man musste überhaupt nicht rauchen, um high zu werden», erinnert er sich. Als Vertreter der Staatsmacht habe er kapituliert. Es sei unmöglich gewesen, hunderttausende Menschen festzunehmen. «Es war eben eine wilde Zeit», sagt Fink.
Was ist 40 Jahre danach von Woodstock geblieben? Für Konzertbesucherin Michele Dean vor allem schöne Erinnerungen, die heute noch ihre Augen zum Leuchten bringen. Der Popkultur-Experte Wade Lawrence, der das Woodstock-Museum in Bethel leitet, sieht das Konzert aus heutiger Sicht eher als Schlusspunkt der Hippie-Kultur.
Viagra statt LSD
«Die Illusionen sind schnell geschwunden», sagt Lawrence. «All das Gerede von Love und Peace klang bald ziemlich naiv.» Vier Monate nach Woodstock endete ein ähnliches Konzert am Altamount Speedway in Kalifornien mit Gewalt, der Vietnam-Krieg ging weiter, die Stimmung in den USA wurde unter Präsident Nixon konservativer.
«Bis zum Jahr 1971 war alles vorbei», sagt Publizistik-Professor Rich Hanley von der Quinnipiac-Universität in New York. «Die Proteste sind abgeflaut, die Woodstock-Generation musste sich um ihre Jobs kümmern, der Spass war zu Ende.»
Der Marsch der Protestgeneration durch die Institutionen begann, Rockkonzerte wurden kommerzialisiert und entwickelten sich zu Unternehmen. Halb im Scherz fügt Hanley hinzu: «Die Hippies sind heute alle Republikaner, statt LSD nehmen sie jetzt Viagra.»