Simon Oberbeck / Quelle: news.ch / Montag, 4. Oktober 2010 / 16:33 h
Die Annahme der Revision der Arbeitslosenversicherung durch die
Deutschschweizer Kantone und deren Ablehnung in der Romandie zeigen, dass es
in gewissen Sachfragen merkliche Unterschiede zwischen den Sprachregionen
gibt. Offenbar sind viele Westschweizer in Fragen der sozialen Sicherheit
deutlich empfindlicher als Ihre Deutschschweizer Landesleute. Dies mag zum
einen mit der in der Westschweiz höheren Arbeitslosigkeit zu tun haben,
sicher aber auch mit dem vielfach unterschiedlichen Staatsverständnis.
Vieles spricht dafür, dass in der Westschweiz die Rolle des Staates als
Fürsorger deutlich stärker gewichtet wird, als in der Deutschschweiz.
Unterschiede in Sachfragen bestehen also, erfahrungsgemäss vor allem bei
Fragen der sozialen Sicherheit und in Europafragen. Doch kann deswegen
bereits von einem eigentlichen Röstigraben gesprochen werden?
Wohl kaum, uns verbindet mehr als uns trennt! Im Parlament und an der Urne
werden keine Sprachkoalitionen geschmiedet, sondern solche unter den
Parteien, einzelnen Parlamentariern, Kantonen und Interessengruppen. Auch
institutionell ist die Schweiz nicht entlang der Sprachgrenzen geteilt, im
Gegenteil. Die Kantone Wallis, Freiburg, Graubünden und Bern sind
zweisprachig, die Parteien und die Bundesverwaltung ebenso.
Die verbindenden Elemente sind in der Schweiz bei weitem stärker als jene, die unsere Sprachregionen von einander trennen. /


Das ist gut so
und muss unbedingt beibehalten werden. Ein wesentlicher Teil des
Erfolgsmodells Schweiz besteht genau darin, dass Minderheiten schon auf der
tiefstmöglichen Ebene zum Zusammenleben ermutigt werden.
Bestrebungen, den Grundsatz zu verletzen
Leider gibt es immer wieder Bestrebungen, die diesen Grundsatz verletzen.
Jüngstes Beispiel die SVP-Initiative zur Volkswahl des Bundesrats. Die
Initiative spricht von den «französischsprachigen Gebieten» der Kantone
Wallis, Freiburg und Bern. Damit ist sie nicht nur föderalismusfeindlich, da sie die Einheit der betreffenden Kantone in Frage stellt, sondern geradezu gefährlich für das Zusammenleben in der Schweiz. Ein Deutschschweizer, der mehr Stimmen erhält als ein Westschweizer, wäre wegen der verlangten Sprachregionenvertretung (nicht Kantone!) evtl. doch nicht gewählt. Wie würde sich wohl die SVP verhalten, wenn das (hoffentlich nie) einem Ihrer Deutschschweizer Kandidaten passieren würde? Wohl kaum sehr einigend… Nicht nur deswegen ist die Volkswahlinitiative der SVP Gift für unser Land, aber sie ist auf jeden Fall weit gefährlicher als hin und wieder erscheinende Meinungsunterschiede bei Abstimmungen in Fragen der sozialen Sicherheit.