Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 30. März 2011 / 11:10 h
Wie immer nervt sie sich über die komplizierte Geschichte. Weshalb können Wirtschaftsjournalisten keine Storyline einhalten? Ist Geldwäscherei, Bestechung von Regierungen sowie Menschenhandel wirklich so schwer zu beschreiben? Offensichtlich, denn auch die kleine Newsjournalistin beginnt bei näherer Recherche vor ihrem Bildschirm zu schwitzen (und das passiert bei ihrer Kaltblütigkeit nur ganz, ganz selten).
Sebastian Grigg ist der wichtige Investmentmann bei der Credit Suisse. Es gibt von Sebastian Grigg trotz seines Machtvolumens kein aktuelles Foto, kein Wikipediaeintrag, keine detaillierte Biografie. Selbst die Death Eaters bei Harry Potter sind sichtbarer und einfacher zu lokalisieren als Sebastian Grigg. Ich bin sicher, dass ich mich allein bei seiner Namensnennung in Bankerskreisen fast solange verstrahle, wie der Fallout in Japan dauern wird (rund 24'000 Jahre).
Sebastian Grigg ist ein Ex-Goldman Sachsler, er ist einer der engsten Vertrauten des britischen Regierungschefs David Cameron. Nicht nur das. Grigg ist auch mit Boris Johnson per Du und hat sich über die Jahre hinweg als Spendensammler für die Konservativen (welch euphemistische Bezeichnung für die Geldpartei Grossbritanniens) hervorgetan. Sebastian Grigg sitzt mittlerweile in der Credit Suisse, was perfekt der Strategie von Goldman Sachs, möglichst alle ehemaligen Goldman Sachsler über alle entscheidenden globalen Finanzinstitute zu verteilen, entspricht.
Sebastian Grigg ist aber nur ein Beispiel des gut funktionierenden Netzwerkes zwischen Finanz und Politik. Spannend ist er für uns, da er via Credit Suisse direkt die Schweizer Politik mitbestimmt. Es ist durchaus vorstellbar, dass Grigg indirekt auch hinter den laufenden Attacke auf die Schweizer Nationalbank steht, nur beweisen lässt sich selbstverständlich nichts. Bewiesen sind lediglich die hässlichen Angriffe auf die schweizerische Nationalbank durch Kreise, die bisher mit den obersten Währungshütern auch per Du und global verkehrten.
Was steckt dahinter? Im Juli 2010 einigen sich Goldman Sachs und die amerikanischen Strafbehörden auf die höchste Strafzahlung, die jemals von einer Wallstreet-Bank geleistet werden musste: 550 Millionen Dollar ... was ungefähr dem Volumen von einer Woche Finanzhandel durch Goldman Sachs entspricht. Peanuts sind zu klein, um diese lächerliche Strafe für Goldman Sachs in Worte zu kleiden. Doch: Selbst dieses lächerliche Sackgeld ärgerte Lloyd Blankfein von Goldman Sachs genug, um alles zu unternehmen, dass ein derartiger Verlust nie mehr passieren konnte.
Der Krieg gegen das schon handzahme Washington wurde intensiviert. Selbst die lahmen Obama-Regeln betreffend Finanzplatz wurden mit einem Medien- und gekauften Republikanergefecht bombardiert.
Nachdem die Finanzmogule gemerkt haben, dass ihre Boni mit einer staatlichen Risikogarantie, verknüpft mit einem der unsozialsten Sparpakete, um Milliarden höher ausfallen als in der Spekulationsparty vor 2008, hören sie nicht auf, die Regierungen a) entweder zu kaufen (ganz Osteuropa), b) die unliebsamen und unbeugsamen (meist sozialistischen Regierungen) gemeinsam mit den korrupten Ratingagenturen zu stürzen (Portugal, Spanien, Griechenland, nun wird auch Irland auf der Liste stehen) und c) die Regierungen ganz zu Marionetten erklären (USA, GB). Einzig die Schweiz ist noch das Stachelschwein, das sich nicht auf dem Rückweg einnehmen lässt, trotz alt-Bundesrat in der UBS.
Lisbeth Salander - The Girl with the Dragon Tattoo. /


Denn erstaunlicherweise sind die obersten Währungshüter der Schweiz die einzigen international relevanten Aufseher, die nicht gleichzeitig auch ehemalige Mitarbeiter von Goldman Sachs sind.
Mit dem Weltwoche-Titel «Der Falschmünzer» wirft Roger Köppel Philipp Hildebrand Geldfälschung und Zahlenmanipulation vor. Die Monopolmedien des Tamedia Konzerns übernehmen diesen Vorwurf à la copy-paste, lediglich die Gratisbeilage DAS MAGAZIN erlaubt Daniel Binswanger einen kritischen Blick auf den Bankenplatz Schweiz.
Spannend wie ein Krimi. Wir sehen einen der heftigsten populistisch-monetaristischen Feldzüge der Geschichte. Tragisch daran ist lediglich, dass es keine Hofnarren mehr gibt, die über genug medialen Verstand verfügen, den Leuten zuzuschreien: Dieser Kaiser trägt nicht nur keine Kleider, sondern früher oder später auch das Fleisch Eurer Kinder und Kindeskinder auf seiner Haut!
Die Nationalbank, die den Finanzplatz Schweiz und damit auch einen Teil von Goldman Sachs, der Deutschen Bank sowie das internationale Finanzsystem gerettet hat, wird nun von denjenigen, die gerettet wurden, zur Todfeindin erklärt. Genial. Der Krieg gegen Hildebrandt wird nur geführt, weil die Schweizer Nationalbank offenbar die letzte Bastionen ist, mit welcher Lloyd Blankfein via seinen Schergen nicht per Du ist.
Das Gemetzel ist schon jetzt ziemlich grauselig. Es wird Krieg geführt gegen Zentralbanker und Regierungsmehrheiten, die «too big to fail» in Zukunft verhindern wollen. Es wird Krieg geführt gegen Zentralbanker und Regierungsmehrheiten, welche sich weigern, den Sozialhilfeempfänger sowie den mittellosen Studenten für die Berappung der Boni der Finanzspekulanten einzuspannen. Es wird Krieg geführt gegen vereinzelte Professoren, die den Glaubenssatz der Wallstreet, dass jede Finanzmarktregulierung des Teufels sei, noch nicht wie Automaten daher plappern - die sozialdemokratischen Bildungsministerinnen beispielsweise des grössten Kantons der Schweiz helfen dabei gerne...
Doch zurück zu Sebastian Grigg. Bei einem Mann seines Kalibers ist anzunehmen, dass er nicht nur mit dem britischen Premier gut vernetzt ist, sondern sicher auch mit den einflussreichsten konservativen Kräften in der kleinen, aber finanzpolitisch höchst potenten Schweiz bekannt ist. Bewiesen ist zwar nichts, doch die Attacken der Schergen der Grossbanken im Verbund mit der populistischen SVP sind augenfällig und erinnern an US-amerikanisches sowie britisches Medienvorgehen.
Wie gesagt: Es beginnt alles ganz harmlos. Doch wer sich mit Goldman Sachs, der politischen Manipulation der Deutschen Bank, der ruchlosen Staatszerstörung der UBS (nicht zuletzt dank eines alt-Bundesrates Villiger), sowie der unsichtbaren Macht von CS ernsthaft zu beschäftigen beginnt, weiss, dass nichts mehr harmlos ist. Deshalb wird das Mädchen mit der PDF-Datei Männern wie Sebastian Grigg von nun an genauer auf der Spur sein. Leider steht ihr noch kein freundschaftlich-einflussreicher Mikael Blomquist zur Seite. Oder gar ein Verlag, der den Mut hätte, solche Spuren auch zu publizieren.
Etwas indessen hat das Mädchen mit der PDF-Datei aber doch schon herausgefunden: Die Kernreaktoren, die in diesen Wochen auf Jahrtausende hinaus unser Wasser, unseren Boden und unsere Kinder vergiften werden, wurden von einer privaten Firma namens Tepco betrieben. Und jetzt raten Sie mal, wer diese Firma in den letzten Jahren an der Börse begleitet und in diesen Tagen den Startschuss für die möglichst reibungslos vonstatten gehende Verschacherung der Firma Tepco gegeben hat?
Richtig.
Es beginnt alles harmlos. Manchmal enden aber harmlose Geschichten mit einem elendiglich schmerzenden und lang folternden Strahlentod.
*Titel in Anlehnung an die englische Version von Stieg Larssons «The Girl with the Dragon Tattoo»