Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Freitag, 3. Juni 2011 / 11:25 h
Fangen wir mit Handy-Strahlung und Krebs an. Handy-Strahlen können keinen Krebs verursachen. Für die Grundlage dieser Aussage hat Albert Einstein 1921 den Nobelpreis bekommen. 1905 hat er in einem Papier den photoelektrischen Effekt quantenphysikalisch gedeutet, in dem unter anderem gezeigt wird, ab welcher Wellenlänge Photonen Elektronen aus einem Atomen herauslösen können. Diese Wellenlänge liegt an der Blaugrenze des sichtbaren Lichtes, knapp vor Ultraviolett. Deshalb können UV-Strahlen, von der Sonne und Solarien, die über dieser Grenze liegen Krebs erzeugen. Die Frequenz der Handy-Strahlung ist dafür etwa eine Million mal zu niedrig. Warme Ohren? Ja... Krebs? Physikalisch nicht möglich: Handy-Strahlung kann die für Krebs nötigen Mutationen der DNA nicht verursachen.
Das hält die WHO-Krebsexperten, die sich lieber auf windelweiche Studien abstützen, die von den Verfassern selbst als nicht ausreichend für irgendwelche Folgerungen bezeichnet wurden, nicht davon ab, von der allfälligen Möglichkeit zu reden, dass Handys das, was sie physikalisch nicht hin kriegen, doch machen könnten.
Aber als Experte will man sich scheinbar nicht auf irgendwelche Äste raus lassen. Nicht einmal auf jene, die mit Stahlträgern verstärkt wurden. Ausserdem ist es unpopulär, einer Industrie, die offensichtlich ein Schweinegeld macht, einen Freipass zu geben. Es könnte ja aussehen, als wäre man gekauft, oder feige. Vor allem wäre eine solch klare Aussage politisch kontrovers im Angesicht der Regulierungswut mancher Regierung und der Gier von Pseudospezialisten, sich im Gespräch zu halten.
Auch scheint ein schlechtes Gewissen, aus den Zeiten, als Zigaretten noch als harmlos bezeichnet wurden, und Gesundheitsbehörden viel zu lange mit dem Nennen echter Gefahren gewartet hatten, zu herrschen. Doch Angesichts von physikalischen Gesetzen, die seit der Entdeckung Millionenfach in Experimenten und Anwendungen bewiesen wurden, ist diese Haltung ziemlich haltlos.
Dabei sterben Leute, die Handys in Kombination mit Autos benutzen und solche, die das Pech haben, in deren Umfeld zu sein, jedes Jahr zu Hunderten bei Unfällen. Allerdings nicht an Handy-Strahlung. Aber das scheint ja Wurst zu sein.
Opfer der Quatschgesellschaft: Handy, Salatgurke, Jörg Kachelmann /


Apropos Wurst... Jörg Kachelmann kommt ja wirklich wie eine rüber. Sein Verhalten gegenüber dem anderen Geschlecht darf durchaus als mangelhaft bezeichnet werden, doch der Vergewaltigungsvorwurf wurde spätestens beim Schlussplädoyer der Verteidigung zu einem Häufchen Elend reduziert. Dies nach einem Prozess, der mitunter einer Farce glich, wenn das Gericht unbequeme Gutachter wegen angeblicher Befangenheit ausschloss, Illustrierte mit eigenen Zeugen sich als Ersatzjustiz gebärdeten und selbst krasseste Widersprüche in den Anschuldigungen des angeblichen Opfers und Nebenklägerin von der Staatsanwaltschaft ignoriert und sogar dem Gericht nicht wirklich als problematisch erkannt wurden.
Die Farce wurde mit einem Urteil abgeschlossen, in dem das Gericht fast schon weinerlich den Mangel an Respekt der Verteidigung beklagte... dass ein Gericht den Respekt verspielen kann, wenn es dem Angeschuldigten das Rechtsgehör fast verweigert, scheint da niemandem eingefallen zu sein. Dazu wurde der Freispruch mit deutlichem Widerwillen formuliert, und Kachelmann praktisch vorgeworfen, dass er seine Unschuld nicht beweisen konnte, wo doch das Grundprinzip des Rechtsstaates eindeutig sein muss, dass die Schuld bewiesen werden muss.
Auch hier herrscht wieder eine Feigheit, und ein schlechtes Gewissen. Das schlechte Gewissen aus der Zeit, als Vergewaltigungen von vielen Gerichten noch verharmlost, ja als Kavaliersdelikt hin gestellt wurden und der Wunsch, den Vertretern von Opfern zu zeigen, dass heute durchgegriffen wirde. Wenn es sein muss, auch im Widerspruch zu den Beweisen. Und wenn ein Angeklagter prominent ist, lockt scheinbar ein Trophäenbonus am Ende eines Schauprozesses.
Doch das ist nicht das Ziel eines Prozesses in einem Rechtsstaat. Das Ziel muss sein, die Wahrheit zu finden. Und die ist nicht ideologisch, ganz egal, wie das Privatleben des Angeschuldigten aussah und ganz egal wie sehr man oder frau ihn verachtet. Kachelmann hat forensisch nachgewiesenermassen nicht die im angelastete Tat vollbringen können, ja, der Verdacht ist sogar begründet, dass ihm eine Falle gestellt worden ist. Doch die Richter waren scheinbar zu feige, dies zu sagen.
Wenn wir grade noch bei Versagern sind, können wir auch noch die Gurken-Killer anprangern, welche, um der Öffentlichkeit einen Sündenbock zu präsentieren, auf eine Vermutung hin spanische Gurken als EHEC-Ursache präsentierten, damit die Vernichtung tausender Tonnen einwandfreier Nahrungsmitteln verursachten, kein einziges Leben retteten, dafür aber geschätzte 200 Millionen Euro Schaden verursachten und ganz Europa verunsicherten. Hier lag die Feigheit darin, nicht zugeben zu wollen, dass die Quelle noch nicht bekannt ist. Dass auch hier das Falsche am Ende dem Richtigen schadete, interessierte scheinbar nicht. Hauptsache der Druck war erst mal weg.
All diese Fälle, so verschieden sie auch sein mögen, enthalten gemeinsame Komponenten: Eine lautstarke, fordernde und sich als kritisch betrachtende Öffentlichkeit, Politiker und Repräsentanten von Medien, die, der Vox Populi folgend, den Druck multiplizieren und Experten und Juristen, die gefallen wollen, indem sie das Opportune, das Populäre, das Geforderte verkünden, um dem Zeitgeist möglichst gut zu entsprechen und die Wahrheit, dass sie diese entweder noch nicht kennen oder diese leider nicht dem allgemeinen Wunsch entspricht.
Die nach solchen Bequemlichkeiten folgende Befriedigung ist mitunter sehr kurz (wie bei den Gurken) oder hält (wie bei den Handys) allenfalls etwas länger an. Aber da fast nie ein Gesicht zum Blödsinn gehört (schöne Ausnahme: Kachelmann-Prozess), gehen die meisten faulen Quatsch-Experten straffrei aus und können schon kurz danach den nächsten Blödsinn verzapfen.
Der Weg zur Quatschgesellschaft ist schon lange beschritten worden und ein Ausweg ist nirgends zu sehen.