Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Montag, 19. September 2011 / 11:52 h
River-Rafting, Canyoning, Free-Climbing, Extrem-Skifahren, Bike-Downhilling... alles riskante Arten, seine Freizeit zu verbringen. Für viele unbegreiflich, für jene, die sich diesen Tätigkeiten verschrieben haben, aber sind die Momente auf dem Bike, in der Felswand, auf der Piste oder im Fluss jene, in denen sie sich wirklich lebendig Fühlen.
Auch wenn viele der «Thrill-Seekers» etwas anderes behaupten und das Einswerden mit ihrem Tun, den sogenannten «Flow», als wichtigste Motivation für ihr gefährliches Hobby anführen, so ist das überwinden der Gefahr, das zu bewältigende Risiko, einer der wichtigsten Faktoren, der sie zu ihrem riskanten Handeln verleitet.
Die Glückshormone, die nach der Anspannung ausgeschüttet werden, wenn der Gipfel (oder das Tal - je nach dem) erreicht sind, erzeugen Momente der Euphorie, wie sie sonst fast nur Drogensüchtige erleben dürften. Evolutionär gesehen könnte diese Belohnung für riskantes verhalten auf die «Jäger-»Komponente unseres «Jäger und Sammler»-Erbes zurück zu führen sein.
Die Vorfahren der Menschen waren nämlich primär Beute und nicht Jäger. Sicher, eine Maus, vielleicht sogar einen Hasen oder ein kleines Reh konnte so ein Hominide schon mal überwältigen. Aber die wirklich «fetten» Beutetiere waren die längste Zeit keine Option. Als dann aber das Hirn wuchs und Steinmesser, Speere und Pfeil und Bogen erfunden wurden, lagen auch diese plötzlich in Reichweite.
Doch deren Jagd blieb ein riskantes Unterfangen und die Motivation dafür musste entsprechend gross sein. Sicher, die Freude der Klanmitglieder über die Beute bei der Rückkehr, das Ansehen, die Chance sich Fortzupflanzen und das Überleben der Kinder zu sichern waren sicher auch wichtig. Doch dies alles ist in dem Moment, wo die Todesangst vor der Beute überwunden werden muss, wo ein Fehltritt Misserfolg, Verletzung (mit dem nächsten Krankenhaus 10000 Jahre in der Zukunft) oder gar den Tod bedeuten konnte, nebensächlich.
Dieser Gedanke ist zugegebenermassen spekulativ, aber das Thrill-Seeking und die neurochemischen Mechanismen dahinter machen ansonsten nicht sehr viel Sinn: Aktiv ein Risiko zu suchen, sich diesem unter Gefährdung seines eigenen Lebens stellen und danach - wenn man davon gekommen ist - triumphieren ist ein dem Überleben abträgliches Verhalten, wenn es keine mögliche Belohnung dafür gibt.
Wenn das Thrill-Seeking heute nicht auf irgendwelchen Bergen und Canyons ausgelebt wird, wird es aber fast unweigerlich zu asozialen, ja sogar kriminellen Handlungen führen: Raser, die mit 180 über Landstrassen donnern, oder eben Chaoten die alles in ihrem Weg zerstören.
Steinzeitlicher Thrill-Sucher: Jäger flüchtet vor Beute. Wie der Chaot vor der Polizei /


Dabei ist es ganz egal ob und wenn ja, welches Label sich diese Umhängen: Fussballfans, Linksextreme oder nun, ganz ohne auch nur angeblichen Vorwand, die Event-Chaoten, die in Zürich den Kampf mit der Polizei regelrecht suchten.
Und dies ist das zentrale Problem bei diesen: Das Ziel ist nicht, irgend etwas zu verändern, das Ziel ist es, einen Thrill zu erleben: Die Scharmützel mit der Polizei, die Provokation, das Risiko erwischt zu werden, aber dann vielleicht doch davon zu kommen, sind die Antriebsfedern dieser Asozialen, welche sie vor 10'000 Jahren zum Auerochsen jagen angetrieben hätte. Und genau wie damals der Bär ist nun die Polizei, beziehungsweise der Konflikt mit dieser, die Motivation dieser Idioten.
Es schlummern in uns allen die Überreste aus der Stammesgeschichte des Menschen. Manche davon sind mit unserer modernen, eingeengten und reglementierten Welt nicht mehr kompatibel und kollidieren gewaltsam mit dieser. Die auf Massen-SMS - vielleicht auch schon bald Twitter-Tweets - hin agierenden Event-Chaoten sind nur die neueste Variante, durch die diese Inkompatibilität zum Ausdruck kommt.
So abstossend die Gewaltorgie des Wochenendes auch gewesen ist, so haben die Chaoten, wie es aussieht, «nur» Fr. 200'000.-- Schaden angerichtet und vermutlich durch den Polizeieinsatz der Allgemeinheit nochmals soviel an Kosten aufgebürdet. Der Thrill-Seeker Kweki Adoboli richtete hingegen ca. Fr. 2'000'000'000.-- an, als er ungesicherte Futures-Deals für die UBS abwickelte; vorerst wenigstens nicht zu Lasten der Allgemeinheit.
Vielleicht wäre es Zeit, dass asoziale Thrill-Seeker, egal, ob sie ihre Neigungen am Central, auf der Landstrasse oder am Trading-Desk ausleben, für ein Weilchen, nur mit einem Armeemesser im Gepäck, nach Sibirien geschickt würden, um dort einen Braunbären zu erlegen. Jene die es schaffen, würden mit allen Ehren bei uns zurück empfangen und wieder in der Gesellschaft willkommen geheissen. Über die anderen würden sich die Bären sicher freuen.