Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Montag, 26. September 2011 / 12:01 h
«Medewedew räumt überraschend kampflos das Feld» schreibt der Spiegel und auch andere Journalisten scheinen von der Willfährigkeit Medwedews überrascht zu sein, mit der er seinen Posten regelrecht Putin auf dem Silbertablett überreichte.
Aber jeder der sich davon überrascht zeigt, leidet offensichtlich unter schwerstem Gedächtnisschwund. Im Frühjahr 2008, kurz bevor die Weltwirtschaft begann, uns um die Ohren zu fliegen, wurde Dimitrij Medwedew zum Nachfolger von Vladimir Putin auf dem Präsidentensessel gewählt. Dies nachdem Medwedew von Putin selbst als sein Füllpräsident für Putins durch die Verfassung erzwungenes Interregium auserwählt worden war. Putin selbst würde die vier Jahre als Ministerpräsident verbringen.
Bereits damals war Beobachtern, die sich nicht auf Details, wie kleine politische Differenzen in der Ausrichtung der beiden Politiker, konzentrierten, sonnenklar, was passieren würde: Spätestens nach Ablauf der Amtszeit würde Medwedew seinen Posten räumen und Putin den Präsidentensessel wieder überlassen, während er den freiwerdenden Posten des Ministerpräsidenten als Belohnung für seine treuen Dienste bekäme.
Und genau so wird es kommen. Das nun gezeigte Erstaunen kann nur damit erklärt werden, dass Russland von manchen westlichen Beobachtern mit einer Demokratie verwechselt wird. Doch selbst wenn Medwedew gerne eine zweite Amtszeit Präsident gespielt hätte (und es gibt keinen Grund, anzunehmen, er hätte das nicht gerne gemacht), war es klar, dass dies ein Traum bleiben würde.
Die Hoffnungen der Liberalen Russlands, die trotz allem davon ausgegangen waren, dass Medwedew gegen seinen Übervater Putin antreten würde, sind so ebenso zerbröselt, wie die Chance, dass in dem Riesenland in absehbarer Zeit sich die politischen Strukturen bewegen werden.
Da unter Medwedew die Amtszeit des Präsidenten auf 6 Jahre erhöht wurde, wird Putin seinen Posten das nächste mal erst 2024 wieder räumen müssen. Er wird dann 71 Jahre alt sein und was die Amtszeit anbelangt, Leonid Breschnew, den letzten der kommunistischen Langzeitherrscher, sowohl de facto (zählt man die letzten vier Jahre der Schattenpräsidentschaft dazu) als auch de jure übertroffen haben.
Der Zar und sein Füll-Präsident beim Fischen: Vladimir Putin, Dimitrij Medwedew /


Doch er dürfte nicht nur in dieser Hinsicht an Breschnew erinnern. Putins wichtigstes Ziel ist sein Machterhalt. Und diesen kann er nur erreichen, wenn die politischen Strukturen mit all ihren Ineffizienzen, Korruptionsfallen und Erstarrungen erhalten bleiben...
Leonid Breschnew wurde von Michael Gorbatschow als Generalsekretär der Stagnation bezeichnet, einer Stagnation, die Russland eine lang ersehnte innere Ruhepause nach Jahrzehnten der Aufruhr, Kriege und Machkämpfe brachte, aber eben auch den Zusammenbruch der Sowjetunion einleitete.
Die Welt rast durch eine Zeit des rasanten Umbruchs, mit der die westlichen Demokratien hart zu kämpfen haben und mit der selbst China, auf das viele ihre Hoffnungen setzen, Mühe bekundet (obwohl dies noch durch die riesigen Geldreserven im Reich der Mitte aufgefangen wird), also Staaten, die recht flexibel, mit einer Wirtschaft, die nicht bei jedem Schritt vom Staat gegängelt wird, auf Krisen reagieren können (was allerdings auch verheerende Folgen haben kann, wie wir alle wissen.)
Mit der nun zu erwartenden Stagnation von Russland wird dieses Land immer mehr zum ausschliesslichen Rohstoff-Produzenten absteigen, ganz egal, welche Konjunkturprogramme der alte neue Zar seinen Parteigängern und dem Volk verspricht. Der erzwungene Stillstand der einstigen Supermacht wird diese wirtschaftlich schrumpfen lassen, eine Schwäche, die dereinst hoffentlich nicht mit militärischem Aktionismus kompensiert wird.
«Wir wollen bei den Wahlen siegen, damit unser Land nicht wieder in die Klauen derer gerät, die es zerstören wollen», sagte Medwedew zum Abschluss des Parteitags. Nein das Land wird nicht in deren Klauen geraten, nicht nötig: es zappelt schon in ihnen.