Syrische Kommandanten hätten befohlen, sowohl auf Demonstranten als auch auf Passanten zu schiessen, berichtete die Organisation Human Rights Watch (HRW), die am Donnerstag einen Bericht mit Interviews mit mehr als 60 desertieren Soldaten veröffentlichte.
Die übergetretenen Armeeangehörigen hätten Namen und Ränge von mehr als 70 Soldaten und Geheimdienstagenten genannt, die «Mord, Folter und illegale Festnahmen im grossen Stil angeordnet, genehmigt oder toleriert» hätten, erklärte die Menschenrechtsorganisation. Rund die Hälfte der befragten Soldaten gab demnach an, direkte Schiessbefehle erhalten zu haben.
Ein Scharfschütze in der Protesthochburg Homs sagte aus, er habe eine Quote erhalten, wie viele Menschen bei Protesten sterben sollten. «Bei 5000 Demonstranten war die Vorgabe beispielsweise 15 bis 20 Menschen.»
Wahllose Schiesserei
Ein Deserteur berichtete, wie er Ende April nach Daraa geschickt und von seinem Kommandant angewiesen wurde, auf Demonstranten zu schiessen. «Normalerweise sind wir angehalten, Munition zu sparen, aber diesmal hat er gesagt: 'Benutzt so viele Kugeln, wie Ihr wollt'», sagte er.
Das syrische Militär spaltet sich mehr und mehr ab. /


«Als jemand fragte, worauf denn gezielt werden solle, sagte er: 'Auf alles, was sich vor eurer Nase befindet'.» Niemand werde anschliessend Erklärungen verlangen.
Syriens Staatschef Baschar al-Assad hatte jüngst in einem Interview mit dem US-Sender ABC jegliche Verantwortung für die brutale Unterdrückung der Proteste von sich gewiesen.
Erneut heftige Kämpfe
In der Provinz Daraa kam es erneut zu Unruhen. Bei heftigen Kämpfen wurden nach Angaben der in Grossbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mindestens 27 Soldaten und Sicherheitskräfte von Deserteuren getötet. Die heftigen Zusammenstösse ereigneten sich demnach an drei Kontrollposten.
Daraa gilt als Hochburg des Protests der Oppositionsbewegung gegen Assad. Seit Beginn der Demonstrationen vor genau neun Monaten wurden nach Angaben der UNO mehr als 5000 Menschen getötet.