Die Schweizer haben entschieden: Der Anteil an Zweitwohnungen in einer Gemeinde darf künftig 20 Prozent nicht übersteigen. Betroffene Bergkantone, so konnte man schon am Abstimmungsabend vernehmen, reagierten konsterniert auf die Bevormundung durch Mittelland und Stadtorte. Bislang verschwiegen wurde, dass etliche Reporterteams in den Bergdörfern auf der Suche nach Reaktionen von Einheimischen in den Chalet-Hängen bis heute keine Indigenen aufgespürt haben.
Der Anteil an Zweitwohnungen liegt in zahlreichen Gemeinden schon jetzt massiv über den nun in der Verfassung festgeschriebenen 20 Prozent. Ob es hier in den kommenden Jahren gar zu einem grossflächigen Rückbau kommen wird, wird das Parlament entscheiden müssen. Dass die Renaturierung des Alpenraums nicht ohne massive Subventionen aus dem Unterland zu bewerkstelligen ist, dürfte jedoch auf der Hand liegen.
Umstritten ist ohnehin die Frage, was genau als Zweitwohnung zu gelten hat.
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Gibt ein Besitzer in seiner Abwesenheit die Wohnung zur Nutzung frei, z.B. für Asyl-Durchgangsstationen, greift die neue Norm nicht. Doch nicht nur das Asylwesen hat derzeit akuten Raumbedarf: Auch bei einer temporären Nutzung als Indoor-Hanfplantage kann nicht mehr im Sinne des Gesetzes von kalten Betten gesprochen werden, werden doch Marihuana-Pflanzen bei konstanten 25 Grad gehalten.
Signalwirkung
Mit dem Entscheid vom Sonntag ist indessen die Signalwirkung auf die Eidgenössischen Räte nicht ausgeblieben: Vom Wunsch nach einer artgerechten Haltung der Bergbevölkerung in einer unversehrten Berglandschaft haben bereits andere profitiert: Die Haltung von Delfinen und Walen soll verboten werden, da diese hyperintelligenten Säuger seit dem Ende der Jurazeit vor 145 Millionen Jahren in Schweizer Gewässern nicht mehr artgerecht gehalten werden können.
Alle anderen Zoo- und Nutztiere sind übrigens selber Schuld: Sie hätten lange genug Zeit gehabt, sich von der Evolution ein freundliches, menschenähnliches Gesicht wie Flipper geben und sich vom Esoterik-Mainstream zu den weisesten Kreaturen auf dem blauen Planeten hochschreiben zu lassen - dann hätte der Nationalrat heute auch ihnen sämtliche Ställe und Käfige geöffnet.
Nationalpark für alle
Die Renaturierung der Bergvölker dürfte im Vergleich dazu auch nach dem Entscheid vom Sonntag etwas länger andauern. Dass Hochbauzeichner, Maurer und Kranführer keine typischen Berufe für indigene Bergvölker sind, hat der Souverän nun in bestechender Klarheit entschieden. Doch ist das Verkaufen von Skipässen oder das Fahren von Pistenfahrzeugen tatsächlich artgerecht? Klar scheint heute nur, dass der grosse Traum der Unterländer, ein Nationalpark-Idyll auf den gesamten Schweizer Alpenraum auszudehnen - als Kompensation für das irreversibel potthässliche Mittelland - noch eine ganze Weile auf sich warten lässt. Immerhin: Der Widerstand der Bergler selbst wird infolge weiterer Abwanderung kontinuierlich schwinden.
Marco Ratschiller