Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Montag, 7. Mai 2012 / 10:47 h
Können Sie sich noch an das erste Jahr der Regierungszeit von Nicolas Sarkozy erinnern? Genauer noch, an den ersten Monat? «Die Franzosen haben die politische Macht der Macht des Geldes anvertraut», regte sich der frühere sozialistisch Parteichef Henri Emmanuelli auf, nachdem Sarkozy unmittelbar nach seiner Wahl zum Präsidenten 2007 einen Kurzurlaub auf der Yacht des mit ihm befreundeten Milliardärs, Vincent Bolloré, gemacht hatte.
Sarkozy argumentierte damals, dass dieser Urlaub den französischen Steuerzahler keinen Cent gekostet habe und schob unmittelbar danach Steuererleichterungen für genau jene Sorte von Menschen durch, die ihn so gastfreundlich auf einer 60-Meter-Yacht empfangen hatte.
So erlitt der triumphal gewählte Sarkozy schon wenige Wochen nach seiner Kür zum Präsidenten die erste Abreibung, als ihm die Wähler im Parlament zwar nicht die Mehrheit, wohl aber den allseits erwarteten 2/3-Freifahrschein verweigerten und so seinen Elan merklich einbremsten.
Doch Sarkozy hörte nicht auf, von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen zu hüpfen. Bis zuletzt wurde er von der Affäre Bettencourt verfolgt. Die reichste Französin, die L'Oréal-Erbin Lilian Bettencourt soll Sarkozy 2007 150'000 Euro illegaler Wahlkampfgelder persönlich in Briefumschlägen zugesteckt haben. Sarkozy bezeichnete diese Anschuldigungen als Lüge, doch die Tatsache, dass die Zeugen mit Morddrohungen eingeschüchtert wurden, machte die Sache für «Sarko» auch nicht besser.
Zum Eindruck, das Sarkozy ein Präsident der Reichen war, kam noch sein Auftrittsstil dazu, der mitunter ein wenig zu sehr an den von Silvio Berlusconi erinnerte und er hatte schon bald - auch unter den bürgerlichen Wählern - jede Menge Hasser. Die nun zur permanenten Einrichtung mutierte Wirtschaftskrise, welche 99% der Menschen ärmer und 1% reicher werden lässt (jenes Prozent, das Sarkozy auf Yachten einlädt) machte die Sache für Sarkozy schwerer und Hollande leichter.
Doch Hollande musste in den Augen der Wähler zuallererst eine Alternative zu Sarkozy darstellen. Ein abgehobener Salon-Sozi im Stil von Dominique Strauss-Kahn hätte es vermutlich schwerer gehabt, sich als Alternative zum wahrgenommenen Emporkömmling Sarkozy zu positionieren, selbst wenn er mit dem identischen Programm von Hollande angetreten wäre. Der Sturz von DSK über seine Sex-Affären (die französischen hätten ihn garantiert während des Wahlkampfs eingeholt) hat sich für die Sozis von Frankreich nicht als das befürchtete Debakel herausgestellt.
Der Normalo vom Élisée-Palast: François Hollande.
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Vermutlich war es das beste, was der Partei passieren konnte, denn im Gegensatz zu einem Strauss-Kahn verkörpert Hollande das Programm auch in seinem Wesen.
Wenn ein Land einen Politiker loswerden will, muss die Alternative zu diesem nicht nur vom politischen Programm her einen Kontrast bieten, sondern eben auch als Person - speziell in Frankreich, wo der Präsident eine Art Temporär-König ist. Genau deshalb ist das - auch nach manchen beeindruckenden Eintritten gegen Ende seiner Kampagne - dröge Image von Hollande ein enormes Plus gewesen: Er wirkt glaubhaft, bodenständig und - das Wort hört und liest man immer wieder - normal. Ein normaler Mensch und kein von Ehrgeiz zerfressener Psycho, der hohe Absätze trägt, wegen seiner Minderwertigkeitskomplexe und zu grosse Uhren weil das seine reichen Freunde auch so machen.
Hollande - man sah ihm nach der Bekanntgabe des Resultates an, dass er das selbst auch weiss - ist nicht zu beneiden. Unsicher und bleich wirkte er... doch auch das ist womöglich ein Zeichen seiner ausserordentlichen Normalität. Denn er ist sich bewusst, dass er einen höllisch schwierigen Job antritt. Einen Job, den er machen will, aber auf den sich kein vernünftiger Mensch freuen würde, der ihn nicht aus reiner Machtbesoffenheit suchte. So könnte das neue Motto für die fünfte Republik neu so lauten: Liberté, Egalité - Normalité!