Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 9. Mai 2012 / 11:23 h
Freihandel und multinationale Unternehmen dürfen Babies und Kleinkinder routinemässig der Erstickungsgefahr aussetzen, da es kaum rechtliche Handhabungen gibt, die Gesundheitsbestimmungen, welche Sie und ich in unseren Ländern dank Wahlen und Abstimmungen in jahrzehntelangen Kämpfen errungen haben, durchzusetzen. Rapex beschreibt auf S. 47 beispielsweise die grossen Risiken bei Kinderschuhen, Lätzchen, Tragegurten, Babyfläschchen und Stillkissen und erwähnt auch, wie schwierig es ist, solch gesundheitsgefährdende Waren zu verbieten.
Ersticken und Vergiften gehören offenbar zu den netten Begleiterscheinungen der Globalisierung.
Leider untersucht der jetzt publizierte europäische Verbraucherschutzbericht keine Lebensmittel. Denn sonst wäre das Freihandels-Gruselkabinett für europäische Verbraucher noch schockierender ausgefallen. Vielleicht wären dadurch sogar die europäischen, uninformierten, auf Sexismus durch Werbung und ökonomische Strukturen trainierte Mamis, die ihren in Pink gekleideten Mädchen schon für deren zweiten Geburtstag den ersten Schminkkoffer schenken, aufgerüttelt worden. Denn nicht nur sind die in Pastellfarben gehaltenen Barbie-Umerziehungswaren für jeden urteilsfähigen Menschen ein weiterer Höhepunkt in der Jahrhunderte dauernden weiblichen Unterdrückungsgeschichte, sondern sie zerstören dauerhaft die Gesundheit der lippglossenden Minderjährigen.
Idiotische, geschlechterfixierte Erziehung verstört also nicht nur Kopf und die Seele von jungen Menschen, sondern greift dank herrschendem Warenzynismus mittlerweile direkt den Körper der jungen, meist weiblichen Heranwachsenden an. Darüber liesse sich auch mal länger nachdenken, doch das ein andermal.
Am 7. Mai 2012, also vorgestern, zeigte die ARD den Bericht: «Ungeschminkt, die schmutzige Welt der Kosmetik.» Dass niemand gross auf die in der Dokumentation gezeigten unglaublichen Zusammenhänge von Freihandel und krankheitsfördernden Konsumartikel für kleine Mädchen, grössere Mädchen und Frauen reagierte, belegt, wie selbstverständlich es in Zeiten kapitalistischer Grausamkeit ist, den menschlichen Körper nicht nur werbemässig zur Wegwerfware zu banalisieren.
Kosmetika: Welches versteckte Gift darfs denn sein? /


Nein, dank WTO, bilateralen und multinationalen Abkommen betreffend Freihandel, «Konsumentenschutz» und Warenaustausch ist es auch legitim, diesen lebenslänglich zu schädigen, in einzelnen Fällen sogar zu vernichten. Die ARD-Doku erzählt nüchtern, wie illegale chemische Substanzen Ihre und meine und vor allem die Spielkosmetika unserer Töchter «bereichern».
Welche Farben stecken denn eigentlich in Make-Up? Wie hält Lippenstift am längsten? Rote Lippen und gepuderte Wangen spielen vielleicht Jugendlichkeit vor während sie realiter und unsichtbar, höchst krebsfördernd sind.
Es lebe die schöne neue Warenwelt des Natriumnitrits, von welchem eine Dosis von nur 4 Gramm schon tödlich ist. Doch das ist ja das Gute an China und Freihandel! Es dürfen alle Chemikalien eingesetzt werden, die in Europa eigentlich verboten sind. Werbebeilagen, Farbpigmente, Wandfarben werden chemisch so durchsetzt, dass sie schön glänzen und bunt bleiben, uns jedoch grausige Ekzeme und lebenslange Allergien bescheren - im besten Fall... Das tolle daran ist, das als erstes festgestellt werden muss, welcher Stoff und welches Produkt die Ausschläge und Allergien auslöst. Damit ist die Industrie fein raus, denn die Beweislage ist immer umgekehrt. Das heisst, dass nicht die Industrie ihre Unschädlichkeit beweisen muss, sondern die Konsumentin mit ihren beschränkten Mitteln auf unzählige gesundheitsschädigende Stoffe klagen müsste.
Übrigens: Nicht nur die Mädchen und Frauen werden durch die neue schöne Welt der Chemie geschädigt, sondern auch die Buben und Männer, deren Samenqualität und Fruchtbarkeit dank der hormon-ähnlicher (Pseudoöstrogene) Weichmacher in allen möglichen Kunststoffen seit Jahrzehnten auf immer tiefere Niveaus gedrückt werden. Doch auch das wird von der Industrie als gute Fördermassnahme künftiger Produkte gerne in Kauf genommen. Wofür gibt es schliesslich die gut florierende Reproduktionstechnologie und die teure In-Vitro-Befruchtung?
Wer sich länger mit dem unappetitlichen Geschäft des fehlenden Verbraucherschutzes beschäftigt, kann nur zur chemiegeschädigten Zynikerin mutieren. Schön und krank lässt sich offenbar besser leben als natürlich ungeschminkt und gesund - wobei ausgerechnet die Kosmetik letzteres ständig propagiert.