Wer alle möglichen Szenarien durchrechnet, muss in der Schule im Fach Mathematik gut aufgepasst haben. Klar ist aber: Einzig Deutschland und Dänemark können aus eigener Kraft die Viertelfinals erreichen. Den Deutschen reicht ein Sieg oder ein Remis im direkten Duell gegen Dänemark, die Skandinavier brauchen einen Sieg, um sich nicht um das Ergebnis der zweiten Partie kümmern zu müssen. Portugal und Holland dagegen sind vom Ergebnis der Deutschen abhängig. Möglich ist aber selbst dies: Deutschland verliert gegen Dänemark 0:1 oder 1:2, derweil Portugal gegen Holland gewinnt. Dann wären die Deutschen out.
Die Mannschaft von Trainer Joachim Löw orientiert sich aber an für sie positiven Fixpunkten. Gewinnt sie in Lwiw gegen die Dänen, hätte sie eine neue Bestmarke aufgestellt. Drei deutsche Siege in der Vorrunde gab es seit der Einführung der Gruppenspiele 1980 noch nie. Wer die bisherigen Partien der Gruppe B gesehen hat, für den kann es ohnehin nur einen Gewinner geben: Deutschland. «Jetzt gilt es dranzubleiben», verkündete Bastian Schweinsteiger, der Mittelfeld-Motor, der inzwischen fast wieder so hochtourig läuft wie ehedem. Dänemark sollte unter normalen Umständen keinen Schaden im deutschen Getriebe verursachen.
Das 2:0 von 1992
An grossen Turnieren sind sich die beiden Nachbarn noch nicht oft gegenüber gestanden. Es gab nur drei Duelle, zwei davon gingen an die Dänen. 1986 an der WM in Mexiko gewannen sie in der Vorrunde 2:0, zwei Jahre später verloren sie an der EM in Deutschland 0:2. In Erinnerung jedes Dänen ist aber gewiss das 2:0 von 1992. Damals wurden die Skandinavier mit diesem Resultat im Final gegen Deutschland Europameister. Eine gute Erinnerung an Deutschland hat zudem auch Nicklas Bendtner, der am Mittwoch beim 2:3 gegen Portugal zweimal traf. Er war 2007 Torschütze zum 1:0-Sieg der Dänen in einem Testspiel in Duisburg. Seither sind sich die beiden Teams nur noch einmal begegnet, vor zwei Jahren beim 2:2 in Kopenhagen.
«Dem einen oder anderen täte jetzt eine Pause gut, um im Viertelfinal - so wir es schaffen - wieder frisch bei Kräften zu sein», verriet Löw. Die Partie gegen Dänemark ist allerdings zu wichtig, weshalb es wohl nur zu sehr moderaten Umbau-Aktionen kommt. Mit Sicherheit neu besetzen muss er die rechte Abwehrseite, wo Jerome Boateng nach der zweiten Gelben Karte gesperrt fehlen wird. Ihn wird vermutlich Lars Bender von Leverkusen ersetzen. Vor einem besonderen Einsatz steht Lukas Podolski, der sein 100. Länderspiel absolvieren würde.
Rommedahl fehlt den Dänen
Dänemarks Trainer Morten Olsen muss nach Stamm-Keeper Thomas Sörensen nun auch auf Routinier Dennis Rommedahl verzichten, der mit einem Muskelfaserriss ausfällt. Trotzdem befinden sich die Dänen gemäss Olsen auf Kurs: «Wir stehen nach zwei Spielen mit drei Punkten da. Genau darauf hatten wir vor der EM gehofft.
Nur bei einer Niederlage beginnt bei Deutschland das grosse Zittern. /


Wir wussten schon vorher, dass sich gegen Deutschland alles entscheiden wird. Eine Chance gibt es immer.»
Hollands vernichtende Bilanz gegen Portugal
Holland, der WM-Finalist von 2010, greift nach dem letzten Strohhalm. In Charkiw stehen die Holländer gegen Portugal unter Siegzwang. Doch gewinnen allein reicht nicht. Es muss ein Erfolg mit zwei Toren Differenz sein, falls die Deutschen gegen Dänemark gewinnen. Das schmerzt die holländische Seele am meisten. «Wir sind abhängig von Deutschland. Das fühlt sich nicht gut an», sagt Arjen Robben.
Statistik schiesst bekanntlich keine Tore, aber sie kann trotzdem verdeutlichen, wie schwer die Aufgabe wird. Geht es rein nach den Zahlen, können die Holländer schon jetzt die Koffer packen. Denn ihre Bilanz gegen Portugal ist vernichtend. Von zehn Spielen konnten sie nur gerade eines gewinnen. Und immer wenn es wichtig war, setzte es für Oranje meist eine bittere Niederlage ab. So verlor Holland an der EM 2004 im Halbfinal 1:2, an der WM 2006 gab es in den Achtelfinals eine 0:1-Niederlage. Hollands einziger Sieg resultierte in der Qualifikation zur EM von 1992, als man 1:0 gewann.
Van Bommel und Afellay auf die Bank
Bondscoach Bert van Maarwijk, dessen Stuhl trotz Vertrag bis 2016 schwer ins Wackeln geraten ist, wird für die Partie gegen Portugal vermutlich seinen Schwiegersohn opfern müssen. Captain Mark van Bommel konnte jedenfalls gegen Deutschland keine Akzente mehr setzen und dürfte durch Rafael van der Vaart ersetzt werden. Im Sturm wird wohl Klaas-Jan Huntelaar von Beginn an spielen und Ibrahim Afellay auf die Ersatzbank verdrängen.
Ein prominentes Sorgenkind gibt es auch im Lager der Portugiesen. Cristiano Ronaldo, ihr Starspieler schlechthin, der in Osteuropa so verkrampft wie ein Dutzendspieler auftritt. Im Nationaltrikot scheint die Aura wie weggeblasen, die ihn bei Real Madrid umgibt. Als 'Chancentod' verhöhnten ihn die Kritiker. Doch seine Fans glauben immer noch an ihn. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis Cristiano Ronaldo wieder einen guten Tag erwische. Der portugiesische Star-Trainer Jose Mourinho glaubt nicht daran, dass seine Landsleute an den Holländern scheitern. «Wenn Portugal am Sonntag seine Pflicht erfüllt, steht es in den Viertelfinals.»
Portugal - Holland
Sonntag, 20.45 Uhr (live auf fussball.ch). - Metalist Stadion, Charkow. - SR Rizzoli (It).
Voraussichtliche Formationen:
Portugal: 12 Rui Patricio; 21 João Pereira, 2 Bruno Alves, 3 Pepe, 5 Fabio Coentrão; 4 Miguel Veloso; 16 Raul Meireles, 8 João Moutinho; 17 Nani, 23 Helder Postiga, 7 Cristiano Ronaldo.
Holland: 1 Stekelenburg; 2 Van der Wiel, 3 Heitinga, 4 Mathijsen, 15 Willems; 8 Nigel de Jong, 23 Van der Vaart; 11 Robben, 10 Snijder, 16 Van Persie; 9 Huntelaar.
Dänemark - Deutschland
Sonntag, 20.45 Uhr. - Arena, Lwiw. - SR Velasco Carballo (Sp).
Voraussichtliche Aufstellungen:
Dänemark: 1 Andersen; 6 Jacobsen, 3 Kjaer, 4 Agger, 5 Simon Poulsen; 7 Kvist, 19 Jakob Poulsen; 23 Mikkelsen, 8 Eriksen, 9 Krohn-Dehli; 11 Bendtner.
Deutschland: 1 Neuer; 15 Lars Bender, 5 Hummels, 14 Badstuber, 16 Lahm; 7 Schweinsteiger, 6 Khedira; 13 Müller, 8 Özil, 10 Podolski; 23 Gomez.
Bemerkungen: Dänemark ohne Rommedahl (verletzt), Deutschland ohne Boateng (gesperrt).