Der Start in dieses Fussball-Jahrhundert war für den DFB ernüchternd gewesen. Die deutsche Equipe schied an der EM 2000 in Holland und Belgien unter Erich Ribbeck ohne einen Sieg in der Gruppenphase aus. Von einem gewissen Sergio Conceição wurde der dreifache Weltmeister gedemütigt. Vier Jahre später in Conceiçãos Heimat Portugal erging es Deutschland mit Rudi Völler nicht viel besser. Erneut kam das Out bereits in der Vorrunde - nach einer Nullnummer gegen Lettland und einer Pleite gegen ein tschechisches B-Team. Dazwischen lag eine WM, an der man zwar in den Final eingezogen war, die jedoch von einem günstigen Spielplan, minimalistischen Siegen und einer gehörigen Portion Wettkampfglück geprägt war. Ein Ausreisser nach oben, der mehr mit kämpferischen als mit spielerischen Mitteln erzielt wurde.
Im Jahr 2012 sind die Deutschen nicht mehr in diesem Masse auf Fortuna und den Glauben an Tore in den Schlusssekunden angewiesen. Sie haben auf höchstem Niveau eine Konstanz erlangt, die ihresgleichen sucht. 15 Pflichtspiel-Siege in Folge zeugen davon. Und ihr Fussball ist nicht nur erfolgreich, sondern auch ganz nett anzuschauen. Das Team ist offensiv ausgerichtet, die Auftritte zeichnen sich durch Dynamik aus.
Drei Nachwuchs-EM-Titel in einem Jahr
Die Wende kam mit der Vorbereitung auf die Heim-WM 2006, als ein neuer Coaching-Staff mit revolutionären Ideen antrat. Dies war die Initialzündung für eine glorreiche Zukunft. Dem inzwischen zum Cheftrainer aufgestiegenen Joachim Löw spielt in die Hände, dass im DFB der Nachwuchs-Arbeit in den letzten Jahren mehr Bedeutung eingeräumt worden ist. Die Verpflichtung des Ex-Internationalen Matthias Sammer als Sportdirektor sollte sich als mitentscheidend erweisen.
Die Junioren-Förderung ist unter seiner Leitung gekrönt worden durch drei Turniersiege bei kontinentalen Titelkämpfen innerhalb eines Jahres. Auf den EM-Triumph der U19 im Juli 2008 (mit Lars Bender) folgte jener der U17 im Mai 2009 (mit Mario Götze) und jener der U21 im Juni 2009. Bei letzterem wirkten Leute wie Manuel Neuer, Mats Hummels, Sami Khedira, Mesut Özil oder Jérôme Boateng mit. Trainiert wurde diese goldene Generation - wie die U19 von 2008 - von HSV-Legende Horst Hrubesch. Es war Deutschlands erster EM-Titel überhaupt auf Stufe U21.
In diesen Tagen nun kommt Hrubeschs Saat zur Blüte.
Die Deutschen reihten 15-Pflichtspiel-Siege aneinander. /


Auch weil Khedira und Co. in der A-Nationalmannschaft und in der Bundesliga ihre Bewährungschancen erhalten und genutzt haben und bei der Karriereplanung Fehltritte vermieden haben. Deutsche Talente sind im Ausland so begehrt wie noch selten. Khedira und Özil sind schon in jungen Jahren Säulen im Mittelfeld des spanischen Meisters Real Madrid. Neuer zählt zu den besten Goalies der Welt.
Aus Talenten Perlen hervorbringen
Hrubesch, notabene im Jahr 2000 noch Assistent des gescheiterten Bundestrainers Ribbeck, berichtete kürzlich: «Ich hatte direkt nach dem gewonnenen U21-EM-Final zu Jogi Löw gesagt, dass er in eine komfortable Lage kommt, weil so viele gute Junge nachrücken. Wer die Spielfreude und das Selbstbewusstsein der deutschen Mannschaft im damaligen Endspiel erlebt hat, kommt nicht umhin, Parallelen zu heute zu sehen.» Diese Spieler seien leidensfähig und leidenschaftlich, hätten aber auch genug Demut, um immer alles zu geben. Er habe ihnen eingeimpft, nicht Mitläufer zu sein. Hrubesch weiter: «Jogi hatte den Mut, bereits bei der WM in Südafrika auf einige von ihnen zu setzen. Und auch die Jungs, die auf der Bank sitzen, müssen funktionieren. Diese Qualität ist da.»
Früh werden die Talente kategorisiert. Wer eignet sich zum Leitwolf, wer besticht durch seine Mannschaftsdienlichkeit, wer ist eher der Typ Individualist? Die Resultate dieser Analysen fliessen in die Förderungsprogramme ein und es werden Profile erstellt, um möglichst viele Perlen hervorzubringen, die später in der A-Nationalmannschaft zusammenfinden. Wer dem Hochmut verfällt, hat es schwer. Dies musste beispielsweise Alexander Merkel von der AC Milan erfahren. Nach einer unbedachten Äusserung wurde er von Sammer mit Nichtbeachtung gestraft.
Positives Zeugnis für die Liga
Keine Frage, der deutsche Fussball befindet sich generell in einer Hausse. Die Bundesliga boomt, sie stellte heuer einen Champions-League-Finalisten, im UEFA-Fünfjahresranking hat man sich mit solidem Vorsprung auf Italien als Nummer 3 etabliert. Trainer wie Jürgen Klopp und Lucien Favre verbreiten visionäre Ideen, die flächendeckend Anklang finden und als Muster herangezogen werden. Neue TV-Gelder dürften die wirtschaftlich ohnehin schon starke Liga im internationalen Vergleich noch kompetitiver machen. Möglich, dass nach Raul, Arjen Robben und Franck Ribéry weitere Weltstars den Weg nach Deutschland finden. Fragt sich nur, ob die Bundesliga überhaupt auf solche Namen angewiesen ist, wenn sie weiterhin Top-Talente am Fliessband produziert.