Diese Ergebnisse konnten im Lager von «Swiss Shooting» nicht zufrieden stellen. Man wusste aber auch, dass für diese beiden Disziplinen die Erwartungen im Vorfeld nicht in die Höhe geschraubt worden waren. Marguet muss man im Dreistellungsmatch, in dem sie WM-Bronzemedaillengewinnerin ist, eher auf der Rechnung haben als über die 10-Meter-Distanz. Und Scheuber sollte in London primär die Gelegenheit geboten werden, erstmals Olympia-Luft zu schnuppern. Bei anderen Entscheidungen sind die Perspektiven aus Schweizer Sicht rosiger.
Erst kalte Hände, dann Steigerung
Marguet hatte mit dem Luftgewehr all ihre Chancen in der ersten Wettkampf-Hälfte vergeben. Die Freiburgerin geriet gleich zu Beginn in Rücklage. In den ersten drei Schüssen musste sie zwei Punkte abschreiben, weil sie jeweils die angestrebte 10 um lediglich einen Zehntel verpasste. Deshalb stand sie bereits nach wenigen Minuten unter Druck. Bei Halbzeit des 40-Schuss-Programms war sie schon sieben Ringe vom Maximum entfernt. Dies ist in der Weltelite eine zu grosse Hypothek, wenn man in den Final einziehen will. Immerhin konnte sich die Chemielaborantin in der Folge markant steigern. Sie beendete den Wettkampf nach einem Schlussfurioso mit 392 von 400 möglichen Punkten.
Der positive Lauf aus der Endphase sollte Marguet Mumm verleihen für den Dreistellungsmatch vom 4. August. «Dieses gute Gefühl kann sie mitnehmen», meint der aus Österreich stammende Nationaltrainer Wolfram Waibel, «es ist bewundernswert, dass sie sich nach dem schwachen Auftakt nicht hat hängen lassen.»
Zu den Gründen, wieso es mit dem Luftgewehr nicht von Anfang an wunschgemäss geklappt habe, führte Marguet an, dass sie von den Temperaturen in der Halle etwas überrascht worden sei. «Ich hatte zu kalte Hände und hätte vielleicht früher darauf reagieren müssen. Am Abzug machte sich dies negativ bemerkbar. In den Trainings war es wärmer gewesen.» Im Hinblick auf den Dreistellungsmatch sollen Marguet die gestern Samstag gewonnenen Erkenntnisse helfen. Auch aus diesem Grund nominierte man sie für die 10-m-Distanz, obwohl sie die Olympia-Limite in dieser Sparte nicht erreicht hatte.
Nicht so gut wie im Training
Patrick Scheuber hatte sogar für keine Disziplin die Selektionskriterien vollumfänglich erfüllt. Dennoch war der Nidwaldner ins «Swiss Shooting»-Kader für London berufen worden. Als Begründung wurde sein Potenzial hinsichtlich «Rio de Janeiro 2016» in die Waagschale geworfen. Die Schweiz wäre sonst in den Pistolen-Entscheidungen der Männer gar nicht vertreten gewesen auf dem Gelände der Royal Artillerie Barracks.
Annik Marguet /


In dieser Weltcup-Saison ist Scheuber nie besser als im 36. Rang klassiert gewesen. So überrascht es nicht, dass er auch in London nicht über sich hinauswachsen konnte. Insgeheim hatte sich Scheuber schon mehr ausgerechnet. «In den Trainings hier hatte ich mich in der Form meines Lebens befunden. Leider konnte ich dies im Wettkampf nicht planmässig umsetzen. Daran muss ich in Zukunft arbeiten.»
Olympia sei halt eine andere Liga. Er habe am Anfang des Einsatzes ungewöhnlich viel Zeit benötigt, um in einen Rhythmus zu finden. Und vor dem letzten Drittel des Pensums habe er einiges an Anspannung verloren. Prompt geriet Scheuber in eine arge Baisse. Er musste ein Time-out nehmen und sich mit seinem polnischen Coach Krzysztof Kucharczyk besprechen. Am Ende totalisierte Scheuber 569 Punkte. Zum Vergleich: Der südkoreanische Qualifikationssieger Jin Jongoh, der später die Goldmedaille holte, kam auf 588. Für den Finaleinzug waren mindestens 583 Ringe gefordert gewesen.
Titelverteidiger knapp neben dem Podest
Die erste Goldmedaille dieser Olympischen Spiele ist an China gegangen. In der Luftgewehr-Konkurrenz der Frauen setzte sich die Weltmeisterin und Weltranglisten-Erste Yi Siling durch. Die 23-Jährige verwies zwei Schützinnen auf die nächsten Plätze, die man nicht unbedingt auf dem Podest hatte erwarten dürfen. Die Polin Sylwia Bogacka (49. der Weltrangliste), die nach der Qualifikation punktgleich mit der Chinesin gewesen war, sicherte sich Silber. Und Silings Landsfrau Yu Dan (42.) schnappte der tschechischen Titelverteidigerin Katerina Emmons Bronze weg.
Bei den Männern war Jin Jongoh mit der Luftpistole eine Klasse für sich. Der Asiate brachte die vierte Olympia-Medaille in seinen Besitz; die zweite aus Gold (nach seinem Sieg in Peking mit der Freipistole). Den 2. Platz belegte der überraschende Italiener Luca Tesconi. Der chinesische Titelverteidiger Pang Wei landete hinter Andrija Zlatic (Ser) als Vierter knapp neben dem Podest.