Valentin Abgottspon / Quelle: news.ch / Freitag, 21. Dezember 2012 / 09:00 h
Dass das Weihnachtsfest zu einem stressigen Konsumfest verkommen sei, dass die originale Botschaft und das, was man «eigentlich» feiere, ja zu feiern habe, verloren gegangen sei... Solche Lamenti kann man allenthalben vernehmen. Denn: Man habe eigentlich die Ankunft eines Erlösers zu feiern, der «uns alle» aus Erbschuld und -sünde befreit habe, der für uns stellvertretend gestorben sei. Und so weiter. Mir können solche Ideen natürlich gestohlen bleiben. Das Interessante ist jedoch, dass diese Ideen selbst jenen mittlerweile recht egal sind, die über Weihnachten doch noch mal eine Kirche von innen sehen werden. Glaubt die Mehrheit der Anwesenden wirklich die christlichen Dogmen? Glauben sie etwa, dass diese Erlöserfigur tatsächlich von einer Jungfrau geboren wurde?
Im täglichen Leben vertraut die Mehrheit der Technik und der Wissenschaft. Einzig bei Messbesuchen verzichten viele dann immer noch auf ihre Vernunft und glauben ohne wirklich gute Gründe. Gerade die Distanzierten unter den Religiösen, die nur noch aus Gewohnheit in der Kirche Mitglied sind, welche vielleicht aus Familienrücksichten nicht austreten möchten oder nicht wissen, dass sie eine schickliche Abschiedsfeier, Partnerschaftsfeier oder Willkommensfeier auch von nicht-religiösen Dienstleistern haben könnten, gerade diese Distanzierten werden bei ihren seltenen Messbesuchen sekeptisch die Augenbraue heben, schmunzeln oder den Kopf schütteln.
Skeptisch sein werden sie bezüglich vieler Äusserungen. Denn wenn man über einen längeren Zeitraum keine Messe mehr besucht hat, fällt einem umso mehr auf, was für abstruse Gedanken da doch bisweilen geäussert werden. Wenn man diese nicht als Kind (als man noch gerne glaubte, was Erwachsene einem so erzählen) eingetrichtert bekommen hätte, würde man als Mündiger nicht einfach so daran glauben. Schmunzeln werden sie wohl darüber, dass man das alles auch noch glauben soll, vielleicht auch über sich selber, dass sie das Glaubensbekenntnis noch kennen und es auch wirklich herbeten.
Mitnichten urchristliche Tradition: Weihnachstbäume und Weihnachten /


Den Kopf schütteln werden sie wohl, falls sie an einen der konsequenteren Priester oder Pfarrer geraten, die es vielleicht sogar wagen, offen auszusprechen, was die Kirche eigentlich möchte, und sich in der Weinhachtsfeier also nicht nur auf kuschelige Wohlfühlgedanken beschränkt. Die meisten Kirchenfunktionäre werden aber schauen, dass sie ihre Schäfchen nicht allzu sehr verschrecken mit Anforderungen an sie.
In mancher Zeitung konnte man auch darüber lesen, dass das Weihnachtsfest eben ursprünglich kein Christfest war, sondern die Wintersonnenwendfeier, oder das Fest des Sonnengottes, oder des Mithras. So wie an Ostern einige Artikel zu lesen sind über Hasen und Eier, so erfuhr man vielleicht auch, dass es sich beim Weihnachtsbaum nicht um einen Christbaum handelt. Umso erheiternder mutet es an, dass gerade konsequentere Klerikale hier reklamieren und sagen: Zurück zu Weihnachten, zurück zu Christlichem. Ich denke, ganz viele Leute schaffen es mittlerweile ganz gut, die Weihnachtsstimmung zu behalten, die Mythen und das Absurde jedoch aussen vor zu lassen.
Freuen wir uns also auf ein säkulares Fest für die Schweiz. Beschenken wir unsere Nächsten und Liebsten mit Materiellem, aber auch mit unserer Zeit, Anwesenheit und Besuchen. Und spenden wir sinnvoll für jene, die es weniger gut haben als die meisten von uns.
Und haben wir doch ein ganz klein wenig Bedauern mit den Priestern und Pfarrern, die ziemlich genau wissen, dass die Leute, welche zur Weihnacht ihre Kirche mal wieder etwas mehr füllen als während des Jahres, eigentlich nur noch ganz wenig mit der Religion am Hut haben. Schon im Januar werden die Kirchen wieder wie gewohnt leer sein. Viele Priester werden in ihren Ansprachen bedauern, dass Weihnachten angeblich nicht mehr das sei, was es sein solle. Dabei spielen sie sich dann vielleicht ein bisschen so auf, als ob sie noch immer die Deutungshoheit über kulturelle Vorgänge in einer sehr säkularen Gesellschaft hätten. Die haben sie jedoch nicht mehr. Die Leute kommen zu einer Hochzeit, zu einer Beerdigung oder eben auch zu Weihnachten mal wieder in die Kirche, weil das so eine diffuse Tradition ist, weil man sich erhofft, da ein paar ruhige Minuten zu verbringen. Ich persönlich kann diese ruhigen Minuten der Besinnung auch ausserhalb sakraler Bauten haben und erleben. Und da bin ich bei Weitem nicht der Einzige.