Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 23. Januar 2013 / 09:06 h
«Zwischen uns stimmt die Chemie» meinten beide lächelnd.Als ob uns Wählerinnen und Wählern, uns Europäerinnen und Europäern dies mehr Arbeitsplätze bringen würde.
Was sollte das Treffen «50 Jahre Elysée-Vertrag» überhaupt? 2 Millionen Euro mehr für den deutsch-französischen Jugendaustausch! Na suuuper! Die verspeist der Vorstand der Deutschen Bank noch vor dem Frühstück. Alles andere waren Floskeln, zu welchen ich in Klammer die Konkretisierung stelle: Intensivierung der Aussen- und Verteidigungspolitik (muss die deutsche Demokratie bald in Mali verteidigt werden?), tiefere wirtschaftspolitische Kooperation Europas (das war Hollande, er will ein paar Milliarden gegen die Jugendarbeitslosigkeit), dann Kompromissvorschlag über EU-Haushalt (das war Merkel, sie will noch mehr Sparen und die Banken schonen), dann erneuerbare Energien besser koordinieren (die französische Atomenergie lässt grüssen, die verkauft sich gerne als besonders ökologisch - plus: die französische SP ist die effizienteste Atomlobby, die es gibt.).
Ansonsten? Gähnende Leere. Ein Nichts. Eigentlich könnten wir die politische Berichterstattung zu Merkel und Hollande und der immerhin beide Parlamente im Reichstag vereinigten Veranstaltung mit Hendrik Broder als «Darkroom der unlustigen Schenkelklopfer» abtun. Broder sagte dies im Hinblick auf das Dschungelcamp, doch liest man seine Kolumne dazu, kriegt man mehr politische Informationen als in der deutschen Tagesschau zum Merkel-Hollande-Treffen. Das was gestern als Feier abgetan wurde, war eine würdelose Laborveranstaltung.
Erinnern Sie sich noch an das rührende Bild des dicken, grossen Kohls mit dem filigranen, kleinen Mitterand in Verdun? Das war nicht nur ein Bild, sondern eine Botschaft. Doch heute? Dutzfreunde Hollande und Merkel? Ist das alles? Roboter wären aussagekräftiger gewesen als die beiden ehemaligen Generalsekretäre ihrer jeweiligen Parteien. Die völlige Belanglosigkeit Merkel-Hollandes hätten die Medien unbedingt kompensieren müssen. Was war u.a. nochmals die Aufgabe der Medien in den Demokratien? Die Kontrolle der Macht, die vierte Gewalt. Richtig.
«Dutzfreunde» Hollande und Merkel: Vereint in Belanglosigkeit. /


Deutschland-Frankreich sind zu wichtig, um ignoriert zu werden. Doch seit Jahren wird hüben wie drüben auf allen Ebenen der Medien, Gesellschaft und Kultur genau das gemacht.
Was hätte es für nachhaltige Themen gegeben, die alle an diesem Elysée-Vertrag hätten gefeiert und diskutiert werden können! Wo blieben die Talkrunden zwischen Deutschen und Franzosen? Waren die Wahlen in Niedersachsen wirklich wichtiger als das historische Treffen der zwei Hauptmotoren Europas? Na klar, doch! Wo kämen wir hin, wenn am öffentlich-rechtlichen Fernsehen mal etwas Relevantes diskutiert würde? Wo sind die Illustrierten, die Magazine, welche sich mit den in den letzten 10 Jahren ins Unermessliche gewachsene Unterschiede Deutschland-Frankreich beschäftigen? Wo der Austauschs von französischen und deutschen Stars für das Mediaprogramm Europas? Wo blieben die Intellektuellen Co-Debattten? Weshalb lädt Richard David Precht nicht Bernard Lévy oder Elisabeth Badinter ein? Wo sind die Jugendlichen, die vor dem Fernsehen laut über die deutsch-französische Freundschaft debattieren?
Die deutschen Medienschaffenden vermitteln Politik so wie die Stammtischpolitiker sie kommentieren würden: «Haste gesehen, die Merkel, Du, die wird jetzt von Hollannnnd Ooooonschella genannt.» TF 1 fand es nicht einmal für notwendig, den Elysée-Vertrag auf die Homepage zu stellen. 50 Jahre deutsch-französische Freundschaft, et alors? «Qui remontera dans le bus de l'amour» war viel wichtiger. Oder das knallrote Kleid von Michelle. Nein, nicht Hunziker, Obama natürlich, gestern beim wichtigen Ereignis der Inauguration Obamas für seine zweite Amtszeit.
Das französische Parlament weilt in Berlin und in Paris merkt das niemand. Vielleicht ein Zukunftsmodell? «Quand Hollande et Merkel trinquent» meint Europe 1 witzig - für Nicht-Franzosen, «trinquent» gibt es als französisches Wort nicht, es ist eine Anspielung auf das deutsche Saufen. Einzig Anne Will zeigt etwas journalistischen Sachverstand und macht in Ihrer heutigen Sendung tatsächlich das Thema: «Deutsche Soldaten in Mali?» Die vom Heissluftbrodler Jauch abgesetzte Will hält uns vom Weinen über den Zustand des Journalismus und der daraus resultierenden Demokratie ab. Vielleischt sollte isch ausch meeer trinque... damit ich vergesse, was politische Berichterstattung alles leisten sollte und nicht einmal mehr probiert. 50 Jahre Elysée Feier.und was wird gefeiert? Dass sich Ooonscheeela und Franzois duzen. Ich bewerb mich nun bei Peter Sloterdijk, der in seinen Tagen und Notizen auf S. 168 den Beruf «Brainfood-Berater» notiert hat. Da kann man sicher viel trinken und wer weiss, sich auch mal mit Nachbarn duzen, so dass es in der Zeitung kommt.