Angehörige der Verurteilten versuchten nach Bekanntwerden des Richterspruchs, das Gefängnis zu stürmen, in denen ihre Verwandten inhaftiert sind. Augenzeugen zufolge schossen Unbekannte auf die Polizei, die daraufhin Tränengas einsetzte. Unter den 22 Todesopfern waren nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Kairo auch zwei Polizisten.
Vor knapp einem Jahr, am 1. Februar 2012, waren im Fussballstadion in Port Said 74 Menschen ums Leben gekommen. Unmittelbar nach Abpfiff hatten Fans des Gastgebervereins Al-Masri damals das Spielfeld gestürmt und waren mit Brechstangen, Messern und Schusswaffen auf die Fans des Kairoer Vereins Al-Ahli losgegangen.
Nach den Krawallen war den Sicherheitskräften vorgeworfen worden, sie hätten die Täter bewusst gewähren lassen, um die Anhänger des Kairoer Clubs Al-Ahli zu bestrafen. Diese hatten während der Proteste gegen Mubarak eine wichtige Rolle gespielt.
Von den Al-Masri-Fans wurden später 61 wegen Mordes angeklagt. Neun Polizisten wurden wegen Nachlässigkeit im Dienst vor Gericht gestellt, weil sie die Fans vor dem Spiel nicht gründlich nach Waffen durchsucht hätten. Sie waren nicht unter den ersten Verurteilten. Auch drei Mitarbeiter des Vereins Al-Masri müssen sich verantworten.
Aus Sicherheitsgründen wurde das Verfahren von Port Said nach Kairo verlegt. Die angeklagten Al-Masri-Fans wurden aus Angst vor Übergriffen nicht zum Gericht gebracht. Für die noch nicht verurteilten Angeklagten fällt der Richterspruch am 9.
Mindestens 22 Tote und 200 Verletzte bei Ausschreitungen in Ägypten /


März.
Gerechtes oder politisch motiviertes Urteil?
Das Urteil am Samstag wurde von den anwesenden Angehörigen der Opfer mit «Allahu Akbar, Gott ist gross» begrüsst. Auch Anhänger des Vereins Al-Ahli feierten die Entscheidung der Richter. Die als Ultras bekannten Fussballfans hatten in den vergangenen Wochen mehrfach gewaltsam für eine harte Bestrafung der Täter demonstriert.
Die Fans in Port Said werfen den Richtern dagegen ein politisches Urteil vor. Der schwarze Tag des ägyptischen Fussballs gilt längst als Symbol für die desolate Lage Ägyptens. Präsident Mohammed Mursi jedenfalls zählte die 74 Toten vor wenigen Tagen zu den offiziellen «Märtyrern der Revolution».
Angespannte Lage
Das Urteil am Samstag war mit Spannung erwartet worden. Es fiel inmitten einer ohnehin extrem angespannten Situation einen Tag nach dem zweiten Jahrestag des Beginns des Volksaufstands gegen den langjährigen Präsidenten Husni Mubarak.
Am Freitag und Samstagmorgen waren in Ägypten bei Zusammenstössen neun Menschen getötet worden, nachdem Demonstrationen gegen Mursi in Gewalt umgeschlagen waren. In Suez marschierte daraufhin das Militär auf.
Das islamistische Staatsoberhaupt sagte wegen der aktuellen Krise in seinem Land die Teilnahme am Afrika-Gipfel in Äthiopien ab und beriet sich mit seinen Ministern für Verteidigung, Justiz und Information über das weitere Vorgehen.
Opposition droht mit Wahlboykott
Ägyptens wichtigster Oppositionsblock machte den Präsidenten allein verantwortlich für das brutale Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten. Ein unabhängiges Gremium solle ermitteln und die Täter zur Rechenschaft ziehen, verlangte die Nationale Rettungsfront.
Ferner müsse die umstrittene, von Islamisten durchgeboxte neue Verfassung ausgesetzt und eine neutrale Regierung gebildet werden, erklärte das Bündnis weiter. Falls die Forderungen nicht erfüllt werden, drohen die Aktivisten mit einem Boykott der im Frühjahr geplanten Parlamentswahlen - und mit weiteren Massenprotesten.