Im Rahmen der Kopenhagen-Vereinbarung («Copenhagen Accord») von 2009 verpflichtete sich China, den CO₂-Ausstoss pro Dollar BIP bis 2020 weiterhin zu senken ? trotzdem wird Chinas CO₂-Ausstoss insgesamt massiv steigen. Wird China deshalb seine Klimapolitik verschärfen?
Blick in die Vergangenheit
Chinas BIP nahm zwischen 1980 und 2011 durchschnittlich um zehn Prozent pro Jahr zu (siehe Grafik: blaue Linie, durchzogen). Der CO₂-Ausstoss hingegen stieg zwischen 1980 und 2009 nur um 5.5 Prozent pro Jahr (rote Linie, durchzogen). Somit nahm der CO₂-Ausstoss pro Dollar BIP um zwei Drittel ab. Trotzdem ist China mit insgesamt zirka neun Milliarden Tonnen CO₂-Ausstoss (2012) der grösste nationale Treibhausgasemittent. Chinas Pro-Kopf-Emissionen von annähernd sieben Tonnen pro Jahr bewegen sich bereits in der Grössenordnung der EU-Werte (Durchschnitt 7.5 Tonnen pro Jahr).
Mögliche Entwicklung des CO₂-Ausstosses bis 2020
Im Rahmen der Kopenhagen-Vereinbarung von 2009 verpflichtete sich China, die CO₂- Emissionen pro Dollar BIP weiterhin zu senken ? bis 2020 um 40 bis 45 Prozent gegenüber dem Jahr 2005. Die dafür erforderlichen jährlichen Reduktionsraten wären etwas geringer als in den vergangenen drei Jahrzehnten.
Um abzuschätzen, wie sich der CO₂-Ausstoss Chinas entwickelt, kombiniere ich die geplante Reduktion der Emissionen pro Dollar BIP mit einer möglichen Entwicklung des BIP (blaue Linie, gestrichelt). Ich habe dazu angenommen, dass das jährliche BIP-Wachstum bis zum Jahr 2020 von zehn Prozent auf 7.4 Prozent abnimmt. Daraus resultiert eine Entwicklung des CO₂-Ausstosses wie in der Grafik dargestellt (rote Linie, gestrichelt) Obwohl die Wachstumsrate der CO₂-Emissionen abnehmen würde, wäre der gesamte Ausstoss im Jahr 2020 um 7 bis 7.8 Milliarden Tonnen höher als im Jahre 2005 ? ein Anstieg, der mehr als das Doppelte der Emissionsreduktionen beträgt, die die Industrieländer für den Zeitraum 2005 bis 2020 in Kopenhagen deklariert haben!
Mögliche Entwicklung des CO₂-Ausstosses bis 2035
Am UN-Klimagipfel in Durban im Jahr 2011 hat China (neben anderen Schwellenländern) zugestimmt, ab 2015 eine verbindliche Vereinbarung zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen einzugehen, wobei die Massnahmen jedoch erst ab 2020 wirksam werden sollen.
Prof. Rolf Kappel, ETH Zürich /

Chinas BIP (blau; Milliarden Dollar, kaufkraftbereinigt, Preisbasis 2005) und totaler CO₂-Ausstoss (rot; Millionen Tonnen) /


Natürlich kann auch ich nicht vorhersagen, wozu sich China dannzumal tatsächlich verpflichten wird. Trotzdem möchte ich mit einigen plausiblen Annahmen berechnen, wie sich Chinas CO₂-Ausstoss bis von 2021 bis 2035 entwickeln könnte. Für meine Szenariorechnung habe ich angenommen:
Die Reduktion der CO₂-Emissionen pro Dollar BIP beträgt von 2021 bis 2035 erneut 40 bis 45 Prozent jährlich. Der CO₂-Ausstoss pro Dollar BIP würde sich damit im Jahre 2035 auf 0.32 bis 0.38 Kilogramm belaufen ? Werte die zwischen den gegenwärtigen Niveaus der USA (0.42 Kilogramm) und der EU (0.26 Kilogramm) liegen.
Die jährliche Wachstumsrate des BIP geht zurück auf vier Prozent bis 2035 (BIP = blaue Linie, gepunktet).
Aus diesen Annahmen ergibt sich eine Entwicklung des CO₂-Ausstosses (rote Linie, gepunktet), der bis im Jahr 2035 in einer weiteren Steigerung um 2.9 bzw. 4.6 Milliarden Tonnen münden würde.
Ohne an dieser Stelle variierende Annahmen und Ergebnisse zu diskutieren, sollte hinreichend deutlich werden, dass China auf absehbare Zeit den CO₂-Ausstoss erhöhen wird, auch wenn es den Trend der erfolgreichen Emissionsbegrenzung der Vergangenheit in Zukunft beibehält.
Wird China seine Klimapolitik verschärfen?
Kann man von Chinas Klimapolitik mehr erwarten? Ich wäre vor allem aus zwei Gründen überrascht, wenn sich das Land für die Zeit nach 2020 zu mehr als einer Fortschreibung der Kopenhagen-Ziele verpflichten würde.
? Erstens hat China seit 1980 trotz der drastischen Abnahme der Armut eine massive Zunahme der Einkommensungleichheit erlebt. Um soziale Spannungen zu vermeiden, strebt die Regierung Umverteilungskorrekturen an, die nur über hohe Raten des Einkommenswachstums der Unter- und Mittelschicht erreichbar sind.
? Zweitens leiden grosse Teile der Bevölkerung unter den Folgen stark angestiegener Umweltbelastungen in der Luft, im Wasser und in den Böden. Auch hier plant die Regierung umfangreiche und kostspielige Eingriffe, um den jetzt schon immer wieder aufbrechenden gesellschaftlichen Protest zu begrenzen.
Ein möglichst hohes Wirtschaftswachstum ist somit vorprogrammiert, und die lokal wirksame umweltpolitische Agenda ist dringend und mehr als voll. Chinas Beiträge zur globalen Klimapolitik werden diesen Randbedingungen untergeordnet bleiben.