Mehrere Bürgerrechtsorganisationen haben diese Woche Klage eingereicht − mit der Begründung, dass die Regierung Obama durch Bespitzelung die Bürgerrechte der Amerikaner verletze.
Indes stieg der Verkauf von George Orwells Klassiker «1984», in dem es um einen allumfassenden und totalitären Überwachungsstaat namens Big Brother geht, wieder.
George W. Obama
Auf der Webseite der «Huffington Pos»t zog man einen anderen Vergleich. Dort fand sich unter der Schlagzeile «George W. Obama» ein Foto, bei dem das Gesicht des aktuellen Präsidenten mit dem seines Vorgängers George W. Bush kombiniert wurde. Obamas Amtsvorgänger initiierte Amerikas Kampf gegen den Terror und steht für ein aggressives Vorgehen beim Sammeln von Informationen, an das Obama Berichten zufolge nahtlos anknüpft.
Tea-Party unter Generalverdacht
Für Furore sorgte dann die Bekanntgabe, dass einige Angestellte einer Abteilung der Steuerbehörde IRS besonders jene Organisationen scharf unter die Lupe nahmen, die in Verbindung mit der Tea-Party stehen − bekanntermassen eine Gruppe der Republikaner, die Obama und seiner Regierung sehr kritisch gegenüber steht.
Besonders grosse Aufmerksamkeit wurde der Regierung zuteil, als der britische «Guardian» und die «Washington Post» letzte Woche in einer Enthüllungsstory über zwei streng geheime Überwachungsprogramme berichteten. Ein Programm soll Millionen Telefonverbindungen analysieren, das andere weltweit E-Mails und andere Online-Aktivitäten nachverfolgen. Viele der ursprünglich streng geheimen Details über die Datensammlung der Geheimdienste wurden Berichten zufolge vom 29-jährigen Edward Snowden enthüllt. Der ehemalige Computertechniker beim amerikanischen Geheimdienst NSA ist auf der Flucht und versteckt sich momentan in Hongkong.
In seiner zweiten Amtsperiode wollte sich Obama um innenpolitische Themen wie die Verschärfung der Waffengesetze oder die Einwanderungsreform kümmern, konnte allerdings auf diesen Gebieten bislang keinen grossen Erfolg verbuchen.
«Wir wollen uns besser vor Terroranschlägen zu schützen». /


Nun lenkt ihn das unvorhergesehene Bekanntwerden des Geheimdienstprogramms von seiner eigentlichen Agenda ab. Für Washingtons Interesse an Telefonverbindungen oder E-Mails von Ausländern hat sich Obama nach wie vor nicht entschuldigt.
Überwachung ausgedehnt und Schutzmassnahmen erhöht
«Ich kam mit einer gesunden Portion Skepsis gegenüber diesen Programmen ins Amt», sagte er. «Wir haben in der Tat die Überwachung ausgedehnt und Schutzmassnahmen erhöht. Doch meiner Einschätzung und der Einschätzung meines Teams zufolge hat all das dazu beigetragen, uns besser vor Terroranschlägen zu schützen.» NSA-Chef und Armee-General Keith Alexander verteidigte die Aktionen diese Woche und betonte, dass dadurch «dutzende Anschläge durch Terroristen» verhindert werden konnten.
Amerikanern ist ihre Privatsphäre zwar wichtig, sie möchten sich aber auch in Sicherheit wissen. Der jüngsten Umfrage der «Washington Post» und des Pew Research Center zufolge ist für 56 Prozent der Amerikaner die Sammlung von Telefondaten akzeptabel − ein Programm, das laut Beteuerungen der Regierung nicht die Gespräche mithört, ausser wenn dies im Einzelfall vorab richterlich genehmigt wird.
Mit 52 Prozent der Befragten spricht sich eine geringfügig kleinere Mehrheit gegen das zweite Spähprogramm aus, das die Kommunikation im Internet abfängt und offenbar stärker in die Privatsphäre der Bürger eindringt.
Die US-Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) und die New York Civil Liberties Union reichten diese Woche Klage bei Gericht ein. Sie werfen den Behörden Verfassungsbruch vor, da mit den Überwachungsprogrammen die Meinungsfreiheit und das Recht auf Privatsphäre verletzt werden.
Schadensersatz in Höhe von drei Milliarden Dollar
Ein Paar aus Philadelphia und die Bürgerrechtsgruppe Freedom Watch haben eine Sammelklage eingereicht und fordern Schadensersatz in Höhe von drei Milliarden Dollar. Sie behaupten, dass ihre Telefone von US-Geheimdiensten angezapft wurden, da sie sich «kritisch über Präsident Obama als Oberbefehlshaber sowie seine Regierung und das US-Militär geäussert» haben. In der Klage finden sich keine Beweise, dass Mary Ann und Charles Strange je ausspioniert wurden; Freedom Watch warnt dennoch vor dem Beginn «einer Big-Brother-Regierung à la Orwell».
Es könnte sich dabei um effekthascherische Rhetorik oder echte Besorgnis handeln, doch die Überwachung von Telefondaten und E-Mails haben sich von einem streng geheimen Programm zu einem sehr öffentlichen und politischen Problem für den Präsidenten entwickelt.
Über Jonathan Mann:
Jonathan Mann ist Moderator und Korrespondent bei CNN International. Er berichtet regelmässig aus der Zentrale des Nachrichtensenders in Atlanta und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Print-, Radio- und TV-Journalismus. Seine Kolumne steht in der Schweiz exklusiv für news.ch zur Verfügung.