Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Montag, 8. Juli 2013 / 16:13 h
Was wir in Ägypten und auch in der Türkei und in Griechenland erleben, sind im Kern Wiederauflagen, Neuinterpretationen, Auseinandersetzungen und Kämpfe um die Französische Revolution von 1789. Was wir ebenso mit offenen Augen aber ohne Worte mitverfolgen, sind die Strategien der Reaktionären. Würden wir endlich erkennen, dass hier die Reaktionären wie anno 1789 bis heute Krieg gegen die Verheissung von Freiheit, Gleichheit und Solidarität kämpfen und dies ebenso international tun wie anno 1789 und in den folgenden Jahren, wenn wir erkennen würden, wie weit die Reaktionären bereit sind zu gehen, indem sie die Ausrottung ganzer Völker industriell planen und durchführen, dann würden wir wohl ganz anders leben, denken und handeln als wir es immer noch tun.
Doch beginnen wir von vorn.
Wann waren Revolutionen - und um solch revolutionäre Bestrebungen im Sinne von Freiheit, Gleichheit und Solidarität überhaupt jemals erfolgreich?
Mein Rechner hat nicht genug Speicher, um all die revolutionären Schriften, was eine Revolution erfolgreich macht, aufzubewahren. Allein das genügte, mich zweifeln zu lassen. Es ist wie ein ehernes Gesetz: Je mehr Schriften, umso weniger Erfolge. Denken Sie nur an all die abertausend und hunderttausenden von feministischen und neudeutsch genderinspirierten Publikationen der letzten 200 Jahre..
Deshalb suchte ich nicht mehr nach erfolgreichen revolutionären Strategien, sondern nach den Erfolgen der Gegenrevolution. Und siehe da: Ich wurde fündig. Denn dazu gibt es fast kein Material - mal abgesehen von den staatssozialistisch und stalinistisch inspirierten Interpretationen der ehemaligen Ostblockintellektuellen.
Vielleicht sehen wir die Geschichte ganz falsch? Wie wäre eigentlich der Narrativ, wenn wir davon ausgehen, dass die Französische Revolution gar nie wirklich erfolgreich war?
Dann erkennen wir sofort ein Muster.
Ist die französische Revolution in Wahrheit gescheitert? Bild: Hinrichtung Louis XVI. /


1789 war die Revolution und 1815 die erfolgreiche Niederschlagung derselben im Wiener Kongress. Die Reaktionären bündeln ihre Kräfte, halten sich bis 1914 erfolgreich, zetteln einen Weltkrieg an, bluten kurzfristig aus, doch stabilisieren sich 1918 unter amerikanischer Vorherrschaft. Einige Reformen werden aufgenommen, doch das Versprechen von Freiheit, Gleichheit und Solidarität wird unter allen Umständen bekämpft. Nur 1929 wurde die Situation echt brenzlig, da die revolutionären Bestrebungen mit dem Zusammenbruch der etablierten Finanz- und Wirtschaftsmächte zusammentrafen.
Also sammelten die Reaktionären ihre Kräfte und zeigten 1933 einen ersten Erfolg mit der Machtergreifung Hitlers, dessen Weg dank Finanzierung u.a. aus der Schweiz, dank inhaltlicher und organisatorischer Vorarbeit aus Italien, dank dem Konkordat des Oberreaktionären Mussolinis mit dem Vatikan, dank jahrzehntelanger sozialdarwinistisch-eugenischen Rassenstudien und jahrhundertelang eingeübten Antisemitismus bestens vorbereitet wurde.
Die Reaktionären etablierten ihre Herrschaft auch im Sowjetkommunismus, indem sie sofort nach ihrer «Diktatur des Proletariates» auch alles daran setzten, die Errungenschaften, ja allein das Versprechen der Französischen Revolution aus den Leibern, den Köpfen und den Geschichtsbüchern zu eliminieren.
Wer à la Guido Knopp meint, der Alien Hitler wäre von Österreich über die unschuldigen Deutschen hergefallen, um dann serienweise Hitlers Frauen, Hitlers Advokaten, Hitlers Professoren und Hitlers Schweissfüsse zu produzieren, kann hier ruhig aufhören zu lesen und sich die neuste Rede von Christoph Blocher runterladen. Wer aber wirklich an kontrafaktischer Geschichte oder einem Denken in anderen Vergangenheit interessiert ist, soll nächsten Montag weiterlesen und - noch lieber - bis dann weiterdenken.