Zur geplanten Verhandlungsrunde mit dem 64-jährigen Star-Trainer kam es nicht mehr. Am Tag nach dem 1:0-Sieg gegen Slowenien in der nahezu perfekt verlaufenen WM-Qualifikation eröffnete Hitzfeld dem Verband, dass er seiner Karriere im Juli in Brasilien ein endgültiges Ende setzen werde. Umzustimmen war der erfolgreiche Nationalcoach selbstredend nicht mehr.
«Wir haben uns darüber natürlich nicht gefreut, das ist bedauerlich. Aber wir haben den Entscheid von Ottmar Hitzfeld zu respektieren», erklärte Peter Stadelmann und bemühte trotz seiner spürbaren Enttäuschung die Poesie: «Das ewig Stete ist der Wandel.» Sie stünden nun vor einer ganz grossen Herausforderung. Aber er sei sicher, dass dem «opulenten Mahl» (WM-Qualifikation) nun das «feine Dessert» (WM) folgen werde.
Mieschers Verständnis
Auch Alex Miescher, der SFV-Generalsekretär, war sichtlich bemüht, die Dimension der negativen Kunde etwas einzugrenzen. Aus heiterem Himmel kam für ihn die Neuausrichtung Hitzfelds offenbar nicht. Das Bedauern sei grösser als die Überraschung, versicherte Miescher. Sie könnten beim Verband trotz Hitzfelds Abschied «relativ entspannt» nach vorne blicken. «Zu den Verdiensten von Ottmar Hitzfeld gehört, dass wir eine nachhaltige Entwicklung haben.» Nach der Endrunde in Brasilien würden keine umfassenden Umbauarbeiten anstehen.
Die Partnerschaft mit dem früheren Bayern- und Dortmund-Strategen würdigte Miescher ausgesprochen: «Allein die letzten 24 Stunden zeigten: Es ist und war viel mehr als eine top-professionelle Zusammenarbeit.» Die Beziehung auf der menschlichen Ebene bezeichnet Miescher als ausserordentlich: «Er ist ein sehr rationaler Mensch, der aber auch Emotionen zeigt.
Der Rückzug von Ottmar Hitzfeld nach der WM war nie ganz auszuschliessen gewesen. (Archivbild) /


Diese Kombination ist für mich so einzigartig.»
Für Miescher, der den Puls des Nationalteams nicht nur seiner Tätigkeit wegen sehr gut spürt, ist Hitzfelds Entschluss nach über drei Dekaden in einem extrem energieraubenden Business nachvollziehbar. Ein Beispiel ist für ihn bezeichnend: «Nach dem Slowenien-Spiel war er total erschöpft. Ich meinte: Es ging doch gar nicht mehr um so viel in dieser Partie. Aber so etwas gibt es bei Ottmar Hitzfeld nicht. Er leidet immer im wahrsten Sinne des Wortes voll mit.» Deshalb könne ein Trainer, der so lange im Geschäft war, irgendwann auch mit einer gewissen Vernunft sagen: «So, das war es.»
Wie weiter?
Das SFV-Führungsgremium befürchtet nicht, dass die Vorbereitung zur WM von den Spekulationen um die Nachfolgelösung beeinträchtigt werden könnten. Entsprechende Mutmassungen dämmte Stadelmann schon am Tag der Bekanntgabe von Hitzfelds nahendem Ende energisch ein: «Sie können uns durchaus zutrauen, dass wir zwei Projekte gleichzeitig vorantreiben können.» Hitzfeld sei Profi genug, bis zum letzten Tag hoch konzentriert zu arbeiten.
Eine Liste mit möglichen Namen - Lucien Favre dürfte ganz weit oben erscheinen - wird eher früher als später erstellt. Miescher spricht von «mehreren Wochen und wenigen Monaten» und davon, den Nachfolger «Sinne eines Fine-tunings» suchen zu können. Stadelmann hat zumindest in zeitlicher Hinsicht einen ähnlichen Plan im Kopf.
Um das Angebot an geeigneten Kandidaten macht sich Stadelmann keinerlei Sorgen: «Wir sind eine sehr gute Adresse.» Die Wahl wird deshalb aber nicht einfacher - und die Strategie der Zweigleisigkeit birgt immer auch Risiken. Der Nachfolger übernimmt zwar eine in den letzten zwei jahren markant verjüngte Equipe mit beträchtlichem Potenzial, er tritt aber auch ein schwieriges Erbe an. Hitzfeld ist aktuell der statistisch erfolgreichste Nationalcoach der SFV-Geschichte, mit nur einem Fehltritt in 20 WM-Ausscheidungsspielen und einem Renommee, das im Prinzip nicht mehr zu übertreffen ist.