Andreas Kyriacou / Quelle: news.ch / Donnerstag, 21. November 2013 / 08:30 h
Eine schwarze Null - dies war das Budgetziel einer klaren Mehrheit des Berner Kantonsparlaments vor einem Jahr. Es zu erreichen war kein gemütliches Unterfangen, nachdem sich die Bevölkerung zuvor an der Urne mehrheitlich für eine kräftige Reduktion der Strassenverkehrsabgaben entschieden hatte, was zu Mindereinnahmen von rund 100 Millionen Franken führte. Die Summe wurde tatsächlich eingespart - längst nicht nur beim Strassenverkehr. Hoch- und Musikschulen mussten Budgetkürzungen hinnehmen, die Kulturausgaben wurden gestrafft, den Städten Bern, Biel und Burgdorf Beiträge an ihre Quartierzentren gestrichen, die ambulante Psychiatrie und das Weiterbildungsangebot für Spitäler wurden abgebaut, die Zahl der Anspruchsberechtigten auf Krankenkassenverbilligungen wurde halbiert und der öffentliche Verkehr ausgedünnt. Im weiteren wurde der Ausbau der Kindertagesstätten verlangsamt und dem Staatspersonal bei den Löhnen eine Nullrunde verschrieben.
Im Vergleich zur Sparrunde, die in Bern dieses Jahr ansteht, war aber die letztjährige Übung ein Kindergeburtstag. Diesmal geht's ans Eingemachte: Um rund 400 Millionen Franken sollen die Ausgaben reduziert werden. Wiederum sollen gemäss Plänen der Regierung und der Finanzkommission zentrale Bereiche mit weniger Geld auskommen: die Volksschule, die Polizei, die Spitex. Und die Zeche mitbezahlen sollen insbesondere auch ohnehin schon Benachteiligte: Die Behindertenbetreuung wird zusammengestrichen und die Krankenkassenverbilligungen sollen noch einmal reduziert werden.
Zwei Bereiche allerdings sollen verschont werden: die Landwirtschaft und die Kirchen.
Gnadenloser Rotstift: Kranke, Schüler, Behinderte - nur nicht Pfarrer fallen ihm zum Opfer. /


Viehschauen und gut dotierte Pfarrstellen auch für Kleinstgemeinden halten Regierung und Finanzkommission offenbar für unverzichtbar. Es zeichnet sich ab, dass der Grosse Rat zwar den einen oder anderen Sparvorschlag der Regierung zurückweisen oder abfedern, die Tabuzonen jedoch unangetastet lassen wird.
Grossvieheinheiten oder Kirchenmitglieder als Masstab?
74 Millionen Franken pro Jahr kosten die 720 christlichen und jüdischen Geistlichen, die auf der Lohnliste des Kantons stehen. Insbesondere die Reformierten leisten sich Kleinstpfarrgemeinden und blähen so die Zahl der Pfarrstellen kräftig auf. Kommen in der Stadt Bern 2374 Mitglieder der reformierten Kirche auf einen Pfarrer, sind es in den Landbezirken nur zwischen 1133 (Berner Jura) und 1660 (Emmental). Es gibt Kleinstgemeinden mit weniger als 200 Mitgliedern, die «Anspruch» auf eine 60-Prozent-Pfarrstelle haben. Es ist zu vermuten, dass die Zahl der Pfarrer pro Grossvieheinheit gemeindeübergreifend viel einheitlicher ist.
Die GLP-Grossrätin Franziska Schöni-Affolter will mittels einer Motion erreichen, dass die entsprechende Verordnung wenigstens so angepasst wird, dass die Stellenprozente linear zur Zahl Mitglieder vergeben werden. Nach ihrem Modell hätten die beiden kleinsten Gemeinden je noch Anrecht auf eine 20-Prozent-Stelle.
Es ist aber vorherzusehen, dass selbst dieser moderate Vorschlag, der eine Ausgabenreduktion von etwa 9 Millionen Franken bewirken würde, bei der in diesen Tagen stattfindenden Budgetdebatte abgelehnt wird. Dass die Sparvorgaben für die Volksschule zu Klassenschliessungen führen werden, scheint Politiker von links bis rechts weitaus weniger zu kümmern.
Für SP-Grossrat Adrian Wüthrich, der mit einem Vorstoss erfolglos die Abschaffung der Pfarrerbesoldung durch den Staat gefordert hatte, ist klar, wieso sich das Parlament derart reformunwillig zeigt: Nächstes Jahr wird der Grosse Rat neu gewählt und viele seiner Mitglieder wollen die lokalen Kirchgemeinden nicht gegen sich aufbringen. Es wird also wohl an der Bevölkerung liegen, das Bezahlen der Pfarrlöhne durch den Staat auch im Kanton Bern abzuschaffen. Pläne für eine Volksinitiative sind vorhanden.