Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Dienstag, 26. November 2013 / 09:27 h
Wenn jetzt die neuesten Spielkonsolen auf die Gamer der Welt losgelassen werden, können diese wieder darüber staunen, mit welcher Präzision die Kunstwelten in den verschiedenen Spielgattungen in Echtzeit erschaffen und auf den HD-Bildschirmen dargestellt werden. Ein grosser Teil dieser Realität ist den sogenannt Physik-Engines zu verdanken, welche virtuellen Dingen scheinbar Masse, Trägheit und strukturelle Eigenschaften verleihen. So zerbrechen Gläser, wenn sie auf Steinboden fallen, bleiben aber ganz, wenn unten Gras ist. Autos erleiden je nach Kollisionsgeschwindigkeit grössere oder kleinere Schäden, Wasser spritzt wie in der wirklichen Welt und Bäume wogen im selben Wind, der auch die Kugel eines Scharfschützen ablenkt.
Diese Simulationen finden zum reinen Vergnügen des Spielers statt. Doch bereits wenn Autos nicht mehr in der Konsole, sondern auf den Strassen unterwegs sind, haben Simulationen in den Supercomputern der Autohersteller lange vorher dafür gesorgt, dass schon die ersten Prototypen sicherer bei Crashtests abschnitten und besser auf der Teststrecke lagen, als dies früher bei den ersten Testwagen möglich gewesen war.
Die Statik von Wolkenkratzern wird schon Jahre vor dem Baubeginn genaustens analysiert, während die Synthese neuer Medikamente für die Grossproduktion in Computersimulationen vorbereitet wird. Sogar die Wahrnehmung von Anzeigen durch Konsumenten wird vor deren Veröffentlichung von Computern simuliert, während wir fast täglich die Resultate von Computersimulationen konsumieren, wenn wir den Wetterbericht runter laden.
Die Idee, eine ganze Zivilisation zu simulieren um Erkenntnisse über die Eigene zu gewinnen wurde schon vor fast 50 Jahren im Roman «Simulacron 3» von Daniel F. Galouye zu einer faszinierenden Geschichte gesponnen. Und seit 1999 «The Matrix» die Kinogänger in seinen Bann zog (trotz oder wegen Keanu Reeves sei dahingestellt), ist der Gedanke einer simulierten Wirklichkeit im Allgemeinen Bewusstsein angekommen. Und seit es «Sims» gibt, spielen wir sogar eine Art primitiver Matrix auf unseren PC's und Konsolen.
Wissenschaftler wollen nun noch einen Schritt weiter gehen. Wir sind nun so weit, dass sich manche Physiker ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen, ein ganzes Universum zu simulieren, während einige andere Physiker den Verdacht hegen, dass wir allenfalls selbst in einem simulierten Universum lebten.
Hinweise darauf gibt es natürlich noch nicht wirklich, aber der Verdacht, dass die Feinstrukturkonstante (ein Wert, der festlegt, wie Elementarteilchen miteinander reagieren) sich während der letzten paar Milliarden Jahre verändert haben könnte, könnte ein Hinweis darauf sein, dass da vielleicht ein Sys-Admin an den Werten der Simulation geschraubt hat, um diese vor dem Absturz zu bewahren.
Ebenso sei die Tatsache, dass die Energie der energiereichsten Elementarteilchen, die aus den Tiefen des Alls bei uns ankommen, bei 10 hoch 20 Elektronenvolt ein einheitliches Maximum erreichen, ein Indiz, das für die Hypothese des Universums als Simulation sprechen könnte.
Wirklich Aufschluss darüber geben könnte eine umfassende und sehr genaue Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung. Sollte diese gleichmässig und homogen von allen Seiten eintreffen, lebten wir mit hoher Sicherheit in einem echten Universum. Gäbe es hingegen einen gerasterten Hintergrund, müssten wir uns damit abfinden, womöglich nur im Experiment einer höheren Intelligenz zu existieren, die allenfalls hofft, dank unseres Simulations-Universums einen tieferen Einblick in das eigene zu finden.
Kosmische Hintergrundstrahlung: Verstecken sich hier Hinweise auf die Realität? /


Oder sie hat einfach Spass daran, zuzuschauen, wie sich mitunter etwas bildet, das glaubt, eine intelligent zu sein, bevor sich dann diese Intelligenzen gegenseitig den Schädel einschlagen.
Ein Beweis für die Echtheit (oder eben nicht) unseres Universums dürfte noch ein Weilchen auf sich warten lassen. Doch früher oder später werden die Messungen gemacht sein. Sollte die Hintergrundstrahlung homogen sein, kann man die Sache wohl abhaken. Doch was, wenn tatsächlich ein «Raster» sichtbar würde?
Wenn es mit der Computertechnik so weiter geht, werden wir in den nächsten Jahrzehnten virtuelle Lebewesen in virtuellen Welten zum Leben erwecken. Wir sind schon nicht besonders toll darin, wenn es darum geht, echte Lebewesen (ob Mensch oder Tier) würdevoll zu behandeln. Wie es dereinst virtuellen Wesen ergehen wird, mag man sich daher gar nicht vorstellen. Wenn man nun wüsste, dass man selbst eine Simulation wäre, könnte dies auch auf unser Verhalten gegenüber virtuellen - und vermeintlich echten - Intelligenzen einen Einfluss haben.
Für den Alltag hätte eine solche Erkenntnis natürlich keine Auswirkungen, aber philosophisch würde so manche Frage durch andere ersetzt werden: Der Sinn des Lebens wäre es demnach, Teil einer grossen Simulation zu sein. Die Angst vor dem Weltuntergang würde womöglich durch die Angst vor dem grossen Update ersetzt. Und unsere grösste Hoffnung wäre vermutlich, dass auch unser Simulierer selbst eine virtuelle Existenz und sich dessen Bewusst ist: Schicksalsgefährten löscht man nicht einfach per Neustart aus.
Doch vorerst gilt unsere Welt - Feinstruktur(un)konstante hin oder her - als das echte Ding. Doch es wäre allenfalls eine Gute Idee, schon jetzt eine neue Religion zu gründen, deren Anhänger dereinst den grossen System Administrator anbeten und um gnädige Behandlung betteln könnten. Denn wer jemals ein Game einfach abgebrochen und all seine Charakter mit einem Knopfdruck gekillt hat, weiss, dass Allmachtsgefühle über eine Taste am Controller erreichbar sind.
Ob sich dieser Grosse Gamer durch das lautstarke Betteln einer Sekte vom Losschicken eines Killerasteroiden abbringen liesse, darf man getrost bezweifeln... aber irgendwer wird es sicher probieren. Aber spätestens wenn die neuen Spielkonsolen draussen sind, dürften wir auf dem Müll landen, egal wie viel wir betteln...