Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 29. April 2015 / 14:47 h
Deshalb erfolgt hier der Versuch, wenigstens ansatzweise Zusammenhänge zwischen Managementgebaren, persönlicher Bereicherung, Schädigung von Unternehmen und Volkswirtschaften inklusive der Inkompetenz der vierten Gewalt in Finanz- und Wirtschaftsprozessen aufzuzeigen. Wohlverstanden: Es ist ein Versuch, der gerne von den entsprechenden Finanzberichterstattern ergänzt werden dürfte. schliesslich stirbt die Hoffnung immer zuletzt.
2002 hat der damalige Deutsche- Bank-Chef Rolf E. Breuer mit einem Satz (!) das Imperium des deutschen Medienmoguls Kirch zerschlagen: «der Finanzsektor ist nicht bereit, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.» Dieser eine, harmlos wirkende Satz genügte, um das milliardenschwere Kirch-Unternehmen insolvent zu machen. Kirchs Anwalt, der CSU-Politiker Peter Gauweiler, formulierte es damals so:
«Wir bewegen uns jetzt im Bereich der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung. Begangen nicht durch irgendwen, sondern durch Organe der grössten deutschen Bank.»
Die Kirch-Erben versuchen seit über 10 Jahren zu beweisen, dass das Unternehmen Kirch nicht einfach nur willentlich, absichtlich und mit Profitgier durch die Deutsche Bank zerschlagen wurde, sondern sich die Hauptakteure namens Fitschen, Ackermann und Breuer bei sämtlichen Prozessen abgesprochen hätten, um jegliche Rechtsansprüche der Kirch-Erben in den Wind schlagen zu können.
Leo Kirch, der im Sommer 2011 starb, hatte in einem Interview zu den Vorwürfen gegen die Deutsche Bank gesagt: «Erschossen hat mich der Rolf.» Gemeint war damit Rolf Breuer, der wahrscheinlich als gutbezahltes Bauernopfer für seine Kollegen hinhalten muss und in dessen Gesicht man sieht, wie gross seine Angst ist, auf Schadenersatz von seinem ehemaligen Arbeitgeber verklagt zu werden. Denn das deutsche Gericht (solche Fälle gibt es ja nie in der Schweiz) hat letztes Jahr die Deutsche Bank zu 925 Millionen Euro Schadenersatz an die Kirch-Erben gezwungen. Von diesen 925 Millionen musste keiner der damaligen Akteure bisher einen Euro zahlen, obwohl die Verantwortung in deren Bereich lag.
Nach dem Vergleich zwischen den Kirch-Erben und der Deutschen Bank klagte die Münchner Staatsanwaltschaft, deren Mut man hier doch einmal anerkennen sollte, erneut gegen Ackermann und Co. Diesmal ging es um «versuchten Prozessbetrug.» Gestern wetterte der Verteidiger für die Deutsche Bank, respektive von Jürgen Fitschen, gegenwärtiger Deutsche Bank-Chef, alles sei selbstverständlich «schlichtweg falsch», was im Nachhinein auch die Verurteilung der Deutschen Bank zur Zahlung an die Kirch-Erben hinfällig machen, respektive Rolf Breuer von einer allfälligen Schadenersatzklage schützen soll.
Blenden wir zurück: 2006 zelebrierte sich der Schweizer Joe Ackermann im Mannesmann-Prozess mit Victory-Zeichen im Revisionsverfahren. Die Wirtschaftspresse redet seitdem nur vom «Imageschaden» für Ackermann, als ob dies relevant wäre. Das Victory-Zeichen ist kein Imageschaden für Ackermann, sondern für die Wirtschaftsjournalisten, die sich seit über 10 Jahren eine zusammenhanglose und irrelevante Berichterstattung leisten.
Mannesmann war eines der wichtigsten deutschen Wirtschaftsverfahren gegen Ackermann und Co. Die Strafanklage lautete auf unlauteren Wettbewerb, auf unlautere Bereicherung und auf unlautere Unternehmensübernahme. Natürlich lauteten die juristischen Begriffe anders, doch inhaltlich ging es genau um diese Punkte. Ackermann und Co. wurde damals vorgeworfen, als Mitglieder des Aufsichtsratsausschusses im engen zeitlichen Zusammenhang bei der Übernahme von Mannesmann durch die britische Vodafone erhebliche Prämien erhalten zu haben. «Untreue im Sinne des §266 StGB zum Nachteil der Mannesmann AG», lautete der juristische Straftatbestand.
Joe Ackermann mit seinem Weichpuppen-Praktikanten bei der Prozessvorbereitung. /


Den an den Entscheidungen beteiligten Präsidiumsmitgliedern, u.a. eben Joe Ackermann, soll bewusst gewesen sein, dass die Sonderzahlungen für Mannesmann AG völlig nutzlos gewesen waren und nur die Empfänger bereichert hätten. Die Angeklagten nannten die Sonderzahlungen «Anerkennungsprämien für besondere Leistungen.»
Allein die Rekonstruktion dieser Geschichte hat mich hier drei Stunden Recherche gekostet, weil kaum ein Zeitungsartikel via Google hoch geratet wurde, der
einfach, klar und nachhaltig
den damaligen Prozess beschreibt. Der Prozess gegen Ackermann und Co. wurde Ende 2006 nach Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Geldauflagen eingestellt. Der rechtspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach damals von einer Klassenjustiz. Jeder Normalbürger kriege bei einer Straftat die Härte des Gesetzes zu spüren. Nicht aber
«Ackermann &Co. Das öffentliche Interesse an der Aufklärung dieses bislang grössten deutschen Wirtschaftsverfahrens mit einem Schaden von über 60 Millionen Euro ist immens und nicht wegzudiskutieren. Es ist ein Skandal, dass sich die Staatsanwaltschaft dieses öffentliche Interesse gegen Zahlung von weniger als drei Monatsgehältern, zahlbar also aus der Portokasse, hat abkaufen lassen.» (Quelle Wikipedia)
Joe Ackermann machte anschliessend mehrere ähnlich attraktive Schlagzeilen durch seine Besuche im Bundeskanzleramt, durch die Verkündung eines Milliardengewinns der Deutschen Bank bei gleichzeitiger Entlassung von 6000 Mitarbeitern, durch seine Aussage nach der Finanzkrise 2008, in der er behauptete, er würde sich schämen, von der Regierung Hilfe annehmen zu wollen, nachdem er selber solche Banken-Hilfspakete befürwortete hatte und und und.
Bräuchte man einen Mephisto im Finanzstück «Faust III», Joe Ackermann wäre nicht nur gut besetzt, sondern der «echte» Mephisto würde sich schämen, im Vergleich zu Joe Ackermann, eine derartige Weichpupe zu sein. Doch die Wirtschaftspresse steht Ackermann seit Jahren zur Seite, wenn es darum geht, den «Geldamokläufer» (Presserat: Ironiedetektor für Meinungsstücke ist erlaubt) als «unverstandenes», «ungerecht behandeltes» Manager- und Finanzgenie darzustellen.
Selbst Ackermanns Tochter ist der Presse nicht schade genug, um zu Protokoll zu geben, wie nett ihr Papa doch sei und wie sehr sie unter der schändlichen Presse hat leiden müssen, so sehr, dass sie dadurch krank wurde. «Pfui: Schämt Euch, Ihr Wirtschaftsjournalisten! Wie könnt ihr nur den Vater einer derart talentierten Tochter aufgrund dessen Geldpolitik, strafrechtlichen Verwicklungen und Victory-Zeichen unter die Lupe nehmen!» Doch immerhin hat es die 31jährige Millionärstochter Catherine Ackermann im Kulturkuchen geschafft und verdient ihr eigenes Geld, ihre eigenen Preise und vermarktet ihre persönliche Angst-Story promigerecht im Magazin der Süddeutschen. Welch schönes Happy-End! Söhne anderer, für die Gesellschaft mittels Finanzgebaren ähnlich verheerenden Väter, investieren die vorhandenen Millionen zwar gerne in menschengerechte Stiftungen statt eigenes Geld zu verdienen, doch wer wären wir denn, derart banale Privatgeschichten für irgendwelche Images auszuschlachten? Dies tut die Presse gerne bei den Helden der Gegenwart, wie beispielsweise bei Edward Snowden oder Julian Assange, aber doch sicher nicht bei wirklichen Bösewichten, die ganze Volkswirtschaften, Unternehmen und Menschen in ihr Unglück stürzen...
Zurück zum aktuellen Prozess gegen die ewig gleichen Angeklagten. Sie werden, wie üblich, auch diesmal nicht richtig zur Rechenschaft oder Verantwortung gezogen werden. Wie so viele vor ihnen in Deutschland. In 70 Jahren wird es vielleicht möglich sein, mit Entsetzen auf unsere Zeit zurückzublicken, auf die Institutionen, auf die Akteure und die politischen Prozesse, die ein System ermöglicht haben, in dem auch Leitblätter ernsthaft von «faulen Griechen» schreiben während kein einziger Banker oder Politiker, der seit 2007/8 Europa in einem monetären Kriegszustand hält, zu Lebzeiten jemals verurteilt werden wird (einzig Island schaffte dies).
Joe Ackermann und Co. beherrschen das Spiel perfekt, weil sie es sind, die die Regeln, die Straftatbestände und die symbolische Wortwahl (Merkels «marktkonforme Demokratie» lässt grüssen) definiert haben. Joe Ackermann hat übrigens wieder einen guten Job. Nachdem er 2013 vom Präsidiumsposten des Verwaltungsrats der Zurich Insurance Group freiwillig zurückgetreten ist - die «Zurich» und Joe Ackermann wurden laut Presseberichten nach dem Selbstmord des Zurich Finanzchefs Wauthier entlastet (lassen Sie sich diesen Satz auf der Zunge zergehen....) - amtiert er seit November 2014 als Aufsichtsratsvorsitzender der Bank of Cyprus.