Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Dienstag, 25. August 2015 / 14:13 h
Erbkrankheiten sind vermutlich die Krankheiten, die am willkürlichsten scheinen. Wer daran erkrankt hat, blöd gesagt, einfach ein schlechtes Los in der Gen-Lotterie bekommen. Schicksal im ursprünglichsten Sinn.
Zwei solche Erbkrankheiten sind die Sichelzellenanämie und die Mukoviszidose, die für jene, die an diesen leiden, schon von früher Jugend an die grausamen Versprechen eines jahrzehntelangen Leidensweges und eines frühen Todes beinhalten.
Beide Krankheiten resultieren in qualvollen Krankheitsbildern und Verkürzen das Leben der Betroffenen um etwa die Hälfte. Opfer der Mukoviszidose werden im Schnitt 37, jene der Sichelzellenanämie 41 Jahre alt.
In den USA zum Beispiel sind beide Krankheiten für viele Menschen ein schweres Problem, wobei die Sichelzellenanämie etwas mehr Menschen betrifft als die Mukoviszidose. Es wäre daher ja anzunehmen, dass in etwa gleich viel Geld in die Erforschung von Behandlung und womöglich Heilung dieser Krankheiten investiert würde.
Doch das Bild sieht anders aus: Die Erforschung der Mukoviszidose hat in etwa das vierfache Budget der Erforschung von Sichelzellenanämie. Die Behandlung von Opfern der Sichelzellenanämie in Notaufnahmen und Krankenhäusern sei zudem vor allem durch Misstrauen gegenüber den Patienten und Ignoranz betreffend der angesagten Behandlung geprägt. Opfer der Sichelzellenanämie können wegen Durchblutungsstörungen extreme Schmerzanfälle erleiden, werden aber vielfach als Pseudopatienten behandelt, die nur versuchten, Schmerzmittel (Opiate) zu schnorren. Für Mukoviszidose-Patienten gibt es dagegen Spezialkliniken und die Stiftungen für die Erforschung dieser Krankheit sind mit Milliarden-Mitteln ausgestattet.
Wenn man sich fragt, aus welchem Grund die Patienten und die Krankheiten so unterschiedlich gehandhabt werden, kann man natürlich verschiedenste Erklärungen suchen. Doch die offensichtlichste ist jene, dass Mukoviszidose eine exclusive Krankheit der Weissen, Sichelzellenanämie eine ist, die in den USA nur Afro-Amerikaner trifft.
Was passiert, wenn eine Krankheit auf einmal die Rassen- und/oder Kulturgrenzen zu überschreiten droht, konnte man bei der Ebola-Epidemie verfolgen.
Blutbild bei Sichelzellenanämie: Diskriminierte Krankheit. /


Ebola war bis 2014 ein rein afrikanisches Problem, das im Westen zwar von Epidemiologen aufmerksam beobachtet wurde, aber vor allem als Aufhänger für Katastrophenfilme taugte. Als im letzten Frühjahr nach dem grossen Ausbruch im westlichen Afrika durch Fernreisende der Virus auf einmal in unserer Mitte auftauchte, war es mit der Gleichgültigkeit vorbei: Wir waren gefährdet und da hiess es zum einen: Grenzen dichtmachen und zum anderen: Wo zum Henker sind die wirksamen Medikamente? Sogar wenn es um die Berichte über den Ausbruch in Afrika selbst ging, war es scheinbar am wichtigsten, den Ausbruch in Afrika einzugrenzen, so dass nicht plötzlich den weissen Herrenmenschen auf einmal Blut aus allen Körperöffnungen fliessen würde, während ihre Blutgefässe von den Viren zersetzt würden. Solange dies nur Schwarzen passiert war, war es scheinbar für die meisten eine zwar traurige, aber nicht wirklich erschütternde Sache. Alltagsrassismus kann eben sehr subtil sein.
Doch den Autor braucht das nicht zu kümmern, denn er ist durch diesen Rassismus ja medizinisch privilegiert - sollte hier irgend eine Epidemie ausbrechen, die Pharmaindustrie würde sofort mit Vollgas arbeiten. Und der Autor hat noch einen Vorteil: Er ist männlich.
Die sogenannte Gender-Medizin (müsste eigentlich Geschlechts-Medizin heissen, den Gender ist ja ein psychologisch-politischer Begriff) ist nämlich ein sehr junges Feld, das erst seit etwa 25 Jahren existiert und erst seit den 2000er Jahren wirklich breit erforscht wird. So sind die Symptome vieler Krankheiten bei Frauen unterschiedlich von jenen von Männern, was zum Beispiel bei Herzinfarkten von Frauen zu fatalen Fehldiagnosen führen kann. Auch reagieren weibliche Patienten auf viele Medikamente anders als Männer und es werden jetzt die Daten gesammelt. Doch der Wissensgrundstock, auf dem - verständlicherweise - viele Ärzte aufbauen ist von Studien, die primär mit männlichen Probanden durchgeführt wurden, geprägt. Die komplexen Hormonzyklen der Frauen und deren Interaktion mit pharmazeutischen Wirkstoffen sind nur oberflächlich bekannt.
Natürlich mag nun eingewendet werden, dass Frauen trotzdem eine höher Lebenserwartung hätten, doch dies hängt weniger mit der Medizin, sondern vorwiegend mit dem Lebenswandel und der Neigung, dumme Risiken nicht auf sich zu nehmen, zusammen. Das ist kein Argument gegen die möglichst korrekte Behandlung einer Patientin.
Doch wie gesagt, dem Autoren kann das eigentlich egal sein, denn er hat den besten Gesundheitstipp befolgt, den es gibt: ein weisser Mann zu sein!