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Die BS-Kultur
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von Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Donnerstag, 24. September 2009 / 11:44 h

Es gibt Ausdrücke, die finden in der deutschen Sprache einfach keine Entsprechung, obwohl wir sie so sehr bräuchten. «Bullshit», fürderhin einfach als «BS» abgekürzt, um sensiblere Naturen vor dem Anblick dieses Wortes zu schützen, ist so einer. Dieses Wort, das vor allem in den USA gebräuchlich ist, wird für Dinge verwendet, die völliger Kokolores sind, aber von gewissen Gruppen als wahr, richtig oder gar wichtig dargestellt werden.
Beispiele sind (und diese unvollständige Aufzählung wird bei einigen Lesern nun rote Köpfe verursachen): Astrologie, Homöopathie, Wünschelruten, Handauflegen, Akupunktur, Hellseher, Geistheiler, Ufo-Entführungen, Löffelverbiegen und allerlei Religionen. Doch auch in der Klimadiskussion, der Gentechnikdebatte und vielen anderen politischen Themen wird fleissig BS serviert und von der Öffentlichkeit vielfach als Fakt geschluckt, ohne zu bemerken, dass die Argumente die Qualität von Stierexkrementen haben.
Ein Problem bei all diesen Themen ist vielfach, dass es bei einigen Leuten geradezu als Schick gilt, von Naturwissenschaften und deren Methoden keinen blassen Schimmer zu haben und deshalb weiss man auch nicht, wie man es vermeiden kann, sich selbst zu täuschen und die eigenen Sehnsüchte über die Realität zu stellen.
Dieses Problem hat Forscher lange geplagt und auch zu vielen Irrwegen geführt. Doch über die Zeit hat man Methoden erarbeitet, diese Risiken zu minimieren – auch wenn sie nicht ganz zu eliminieren sind. Jede wichtige Arbeit in der Wissenschaft wird zur Begutachtung veröffentlicht und den anderen Fachleuten auf dem Gebiet unterbreitet, so dass diese die Resultate und die Methoden überprüfen können. Stellt sich heraus, dass in verschiedensten Laboren auf der Welt das gleiche passiert wie in jenem des Entdeckers des neuen Phänomens, dürfte dieses echt sein. Wenn – wie zum Beispiel bei der «kalten Fusion» - nur ein Labor immer wieder Resultate erzielt und sonst niemand, handelt es sich sehr wahrscheinlich um einen Fehlschluss oder eben BS.
Diese Art der Faktenfindung hat sich als äusserst wirksam erwiesen. Wenn alternative Heilmethoden wie Homöopathie immer wieder an korrekt durchgeführten Doppelblind-Versuchen scheitern, bleiben eigentlich nur zwei Erklärungen: Homöopathie funktioniert nur, wenn man sie nicht prüft, oder sie funktionieren überhaupt nicht...
Oder nehmen wir Elektrosmog: Leute, die behaupten, sie spürten schwache elektromagnetische Felder, scheitern kläglich bei Versuchen, diese zu erfühlen, wenn ihnen nicht gesagt wird, ob ein Feld vorhanden ist oder nicht. Desgleichen Rutengänger, die zwar behaupten, angebliche Wasseradern aus drei Stockwerken Höhe wahrzunehmen, es aber nicht schaffen von zehn Rohrleitungen jene zu identifizieren, durch die Wasser fliesst. Doch das hält Politiker und Redakteure von Zeitungen nicht davon ab, unkritisch oder sogar unterstützend über diese Dinge zu berichten oder – wie die angebliche Konsumentschützerin Simonetta Sommaruga – zu fordern, dass destiliertes Wasser oder reiner Alkohol zu Preisen jenseits von Fr. 1000.--/Liter von der Krankenkasse bezahlt werden sollen, während sie unsubstantielle Impfkritik verbreitet.
Nun könnte der Eindruck entstehen, dass die BS-Produktion sich auf das links-alternative Spektrum beschränke. Aber dem ist nicht so. Bei der Klimadebatte kommt der BS von rechts. Konservative Politiker stürzen sich gierig auf die wenigen, meist nicht einmal vom Fachgebiet stammenden Wissenschaftler, die – obwohl vielfach widerlegt – behaupten, dass die von der Menschheit ausgestossenen Treibhausgase keinen Einfluss auf das Weltklima hätten. Dabei werden neueste Forschungsergebnisse weitgehend ignoriert und vor allem veraltete Prognosen, die schon längst überholt sind, herangezogen, um den eigenen Standpunkt zu beweisen und die Gegenseite lautstark aber gehaltlos zu desavouieren.
Dann gibt es eine Pharmaindustrie, die aus Gewinngier Studien, die schlecht für ihre Profite wären, verfälscht oder unterdrückt oder von der PR-Abteilung neue Krankheiten erfinden lässt, um ein Medikament breit vermarkten zu können.
Natürlich kommt auch aus religiösen Kreisen viel BS, wobei dort die Evolution immer noch Dauerbrenner ist. Auch hier werden nicht fundierte Behauptungen aufgestellt, um längst veraltete Evolutionstexte, die zum Teil schon 50 Jahre und älter sind, zu widerlegen, während die Berge von Beweisen für die Evolution aus Geologie, Fossilienkunde, Molekularbiologie und Genetik, die fast täglich mehr werden, völlig ignoriert und geleugnet werden.
Dass eine solche Augenwischerei in allen möglichen Bereichen des Alltags immer noch möglich ist, ja sogar noch zunimmt, liegt nicht zuletzt an den Lehrplänen, in denen kritisches Denken und das Erlernen der Fähigkeit, Täuschung und Selbsttäuschung zu überwinden nicht enthalten ist. Der Umgang mit der immer komplexeren Realität ist scheinbar von geringem pädagogischen Interesse.
Doch diese Unfähigkeit ist eine Gefahr für unsere Gesellschaft und die Demokratie. Für unser Recht zur Mitbestimmung ist es wichtig, dass wir in der Lage sind, Fakten und BS zu unterscheiden, dass wir die richtigen Fragen zu stellen vermögen und nicht irgendwelchen Scharlatanen auf den Leim kriechen. Gerade in der Schweiz, mit ihren vielfältigen Möglichkeiten der Einflussnahme, wäre dies umso wichtiger. Wenn dies nicht gelingt, werden wir schon bald im BS von links und rechts, von Religiösen und Mystikern, Heilern und Astrologen, Industrie und Politik verschüttet sein.
Der Weg zur vollkommenen BS-Kultur ist nicht mehr weit – und es ist fraglich, ob wir noch rechtzeitig anhalten können.

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