Cédric Wermuth / Quelle: news.ch / Montag, 28. Juni 2010 / 11:42 h
Es gibt eigentlich zwei Schweizerische „Gründungsmythen“. Der erste basiert auf der historischen Fehleinschätzung, die Schweiz sei im August 1291 von drei heroischen Freiheitskämpfern in der Auseinandersetzung mit bösen Grossmächten gegründet worden. Faktisch wurde 1291 nur eines von wahrscheinlich mehreren tausend Landfriedensbündnissen beschlossen. Und vor allem steht dieses Bild nicht für die Schweiz, wie wir sie heute kennen: Der Vertrag wurde nicht vom Volk beschlossen, sondern von Adligen, die ihre „Schweizer Mitbürgerinnen und Mitbürger“ als leibeigene Sklaven hielten.
Wirklich gegründet wurde die moderne Schweiz 1848. Nach einem kurzen Bürgerkrieg zwischen den katholischen und den protestantischen Kantonen, welchen letztere gewannen. Am 12. September 1848 trat die erste Bundesverfassung in Kraft. Sie beruht bis heute auf einer ganz zentralen Erkenntnis aus diesem Bürgerkrieg. Dass es nämlich völlig sinnlos ist, die Menschen in einem demokratischen Staat nach Kultur, Religion, Herkunft oder sonst welchen willkürlichen Kriterien zu unterteilen.
Cedric Wermuth meint, dass die Schweiz das Minarettverbot auch ohne Druck aufheben wird /

Die Minarett-Intitiative habe zentrale Erkenntnisse aus dem Sonderbundskrieg verletzt. /


Der Bürger (und später auch die Bürgerin) soll dem Staat als Mensch gegenübertreten – und nicht als Jude, Christ oder Muslim.
Dieses fundamentale Prinzip wurde mit der Annahme der Anti-Minarettinitiative im letzten Herbst verletzt. Der Europarat hat die Schweiz letzte Woche aufgefordert, das Minarettverbot wieder fallen zu lassen. Das Interessante daran: Sogar der SVP Vertreter in der Schweizer Delegation hat offensichtlich eingesehen, dass die Initiative falsch war. Nationalrat Bugnon (SVP, VD) stimmte im Europarat für die Resolution.
Die Resolution des Europarates ist für die Schweiz nicht bindend. Und das ist auch richtig. Die Minarettinitiative hat die fundamentalen Rechte eines grossen Teils unserer BürgerInnen in unzulässigerweise verletzt. Sie muss sicher wieder rückgängig gemacht werden. Aber nicht durch Resolutionen vom Europarat, sondern über den gleichen Weg, wie sie eingeführt wurde. Ich bin sicher, dass die Schweizerinnen und Schweizer diesen Entscheid in ein paar Jahren korrigieren werden.