fkl / Quelle: news.ch / Dienstag, 27. Juli 2010 / 09:02 h
Die Journalistin Barbara Hans erforschte für «Spiegel Online» nach der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg die Hintergründe des Unglücks. Ihr Artikel verdeutlicht, dass die Loveparade ein Imageprojekt war, das dem wirtschaftsschwachen Ruhrgebiet auf die Beine hätte helfen sollen.
Ein Jugend-Event für den Image-Aufbau
Das Ruhrgebiet besteht aus einer Reihe von zusammengewachsenen Grossstädten. Seit 1800 ist die Region für industriellen Bergbau bekannt. Viele Zechen sind heute aber geschlossen, andere Wirtschaftszweige konnten nicht ausreichend nachwachsen. Die Arbeitslosenquote liegt bei circa 12 Prozent.
Als Kulturhauptstadt Europas sollte dem Ruhrgebiet ein anderes, frisches Image verpasst werden.
Duisburg: Verarmte Industrie-Stadt, Kulturstadt und Veranstaltungsort der tragischen Loveparade 2010. /


Die Loveparade findet als Teil davon statt, ein ausgesprochenes Jugend-Event, welches sich hervorragend eignet, ein anderes Bild als das der verarmten Kohle-Region zu vermitteln.
Sicherheitsbedenken in Bochum
2007 suchen die Veranstalter der Loveparade nach einem neuen Austragungsort. Das Interesse des Ruhrgebiets ist gross, man will mit Städten wie Berlin oder Köln mithalten.
Das Ruhrgebiet erhält die Zusage, es gibt eine Vereinbarung mit dem Veranstalter, dass die Party wechselweise in verschiedenen Städten statt finden sollte: 2007 tanzen 1,2 Millionen Besucher in Essen, 2008 sprengt Dortmund den Besucherrekord mit 1,6 Millionen. 2009 war dann Bochum vorgesehen, doch die Bürgermeisterin von Bochum, Ottilie Scholz, sagt ab wegen zu grosser Sicherheitsbedenken.
Aufschrei wegen Absage
Der Aufschrei, der dieser Absage folgte, war gross: «Eine Blamage fürs Ruhrgebiet», polterte beispielsweise der Soziologe und Szeneforscher Ronald Hitzler (Gastprofessor der Uni St. Gallen).
Dieter Gorny («Viva»), Geschäftsführer der Kulturhauptstadt, sagte die Absage «konfrontiert uns mit allem, was wir schon glaubten, überwunden zu haben: Kleinstadtdenken, Provinzialität, das ganze zähe Grau des alten Ruhrgebiets.»
Druck auf Duisburg
Nachdem Bochum der Loveparade die kalte Schulter zeigte, musste Duisburg nun beweisen, dass das Ruhrgebiet die Loveparade durchführen kann und zwar auf Teufel komm raus.
Nachdem Polizeipräsident Rolf Cebin sich wegen Sicherheitsbedenken gegen die Austragung der Loveparade ausgesprochen hatte, forderte der Duisburger CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Thomas Mahlberg in einem Brief an den damaligen FDP- Innenminister Ingo Wolf die Absetzung des Polizeipräsidenten.
Der Kulturpolitiker Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff sagte: «Ich hoffe nicht, dass nun auch noch die Loveparade 2010 ausfällt - zumindest die muss jetzt stattfinden.»
Schuldig ist immer der Einzelne
Und die Loveparade 2010 fand statt in Duisburg, das Ende: 20 Tote nach einer Massenpanik. Die Kritik am Oberbürgermeister Adolf Sauerland immens. Schuldig ist nun der Einzelne, wäre die Loveparade ein Erfolg gewesen, hätte sich die gesamte Region in ihrem Glanze sonnen können.
Nach der Bochumer Absage rechtfertigte sich der Polizeipräsident Thomas Wenner in einem offenen Brief, der heute fast prophetisch erscheint: «Was denken sich eigentlich Politiker und Journalisten, die die Metropole Ruhr als Monstranz ihrer Popularität vor sich hertragen, wenn es um die Verantwortung derer geht, die als Amtstraäger für die Folgen ihres Handelns persönlich haften?»