In Regel- und Sonderschulen der südkoreanischen Stadt Goyang untersuchten sie dazu 55.000 Kinder im Alter von sieben bis zwölf Jahren. Laut Studienleiterin Young-Shin Kim handelt es sich dabei um die erste umfassende Studie zur Häufigkeit von Autismus bei einer Altersgruppe der Gesamtbevölkerung.
Bisher geht die Medizin von einer Autismus-Häufigkeit von höchstens einem Prozent aus. Inge Kamp-Becker, Leiterin der Marburger Spezialambulanz für Autismus-Spektrum-Störungen an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, glaubt nicht, dass die Zahlen korrigiert werden müssen.
«Inwieweit die Prävalenzsteigerung eine tatsächliche Zunahme abbildet, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen. Faktoren, die diskutiert werden, sind ein verbesserter Wissensstand, erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber autistischen Symptomen, verbesserte Diagnostikinstrumente sowie die zum Teil sehr ungenauen diagnostischen Kriterien für einige autistische Störungen», so die Expertin gegenüber pressetext.
Korea kein Spezialfall
Viele Kinder leben heute mit einem Verdacht auf Autismus, ein wesentlich geringerer Teil mit einer diagnostizierten Störung. Dass die Erkrankungszahl zunimmt, lässt sich eindeutig feststellen - wenngleich auch die erhöhte Sensibilisierung und Aufmerksamkeit für das Thema dazu beigetragen haben.
Ein autistisches Kind und von ihm angeordnete Gegenstände. /


«Autismus wurde 1943 erstmals beschrieben, wobei man von einer Prävalenz von 0,05 Prozent ausging. Die Häufigkeit ist seither eindeutig gestiegen», so Kamp-Becker. Das Problem sei in Südkorea nicht grösser als anderswo - trete die Störung doch in allen Ländern auf und beginnt bereits vor dem dritten Lebensjahr eines Kindes.
Förderung durch Früherkennung
Als eine Leistung beanspruchen die Studienleiter, bei den untersuchten Kindern zahlreiche Fälle von Autismus aufgedeckt zu haben, die sonst möglicherweise übersehen worden wären. Auch die Marburger Psychologin erachtet die rechtzeitige Erkennung der Krankheit als sehr wichtig, wenngleich sich die Vorteile einer möglichst frühen Behandlung erst teilweise in Studien bestätigt haben.
«Betroffene Kinder brauchen eine spezifische Behandlung, die sich von der bei Kindern mit anderen Störungen teilweise unterscheidet. Unterstützung benötigt es etwa darin, seine soziale Umwelt wahrzunehmen und zu verstehen, da das kann nicht als selbstverständlich angenommen werden kann. Die Erklärung der Emotionen, der sozialen Inhalte einer Situation sowie auch klare Umgangsregeln damit sind notwendig. Wichtig ist eine frühe Behandlung insbesondere auch für Kinder, die keine Sprachfähigkeit entwickeln», so Kamp-Becker.