et / Quelle: news.ch / Freitag, 23. September 2011 / 13:20 h
Von dort sprang er Flugs auf den Gaul des Widerstandes gegen die Nazis und glaubte danach mit einer Reihe philosophischer Volten beweisen zu können, dass all jene, die Gerechtigkeit auch gegen herrschende Gesetze anstreben, eigentlich ein Beweis für Gott sind... und so die daraus folgende Notwendigkeit, diesen in einer Kirche anzubeten.
Das Letzte sagte er natürlich nicht mehr, denn Herr Ratzinger ist ohne Zweifel ein sehr intelligenter Mann, der mitunter weiss, wann das Kamel unter dem Grashalm zusammenbricht. Und diesmal trieb er es erfolgreich durch den Bundestag.
Er wusste auch genau, wo er seine grössten Feinde zu verorten hat - unter den positivisten, den Wissenschaftlern, die behaupten, dass die Welt so ist, wie sie ist, weil sie eben so ist, sprich alle Ursachen für sich in der Welt selbst zu suchen und auch zu finden glauben.
So kommt er denn zu diesem Satz: «Es hat stattdessen auf Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen verwiesen - auf den Zusammenklang von objektiver und subjektiver Vernunft, der freilich das Gegründetsein beider Sphären in der schöpferischen Vernunft Gottes voraussetzt.»
Aha.
Es ist daher ja nur logisch, dass der Papst in der Folge den Positivismus als umfassende Erklärung der Welt mit sanften Worten in Bausch und Bogen verdammt, denn sie «verkleinert ... den Menschen, ja ... bedroht seine Menschlichkeit».
Josph Ratzinger alias Papst Benedikt: Morsche Botschaft im Bundestag /


Demnach müsste ja in der Kirchengeschichte und der Kirche selbst alles total in Ordnung sein. Doch irgendwie fallen da ganze Lastwagenladungen Sand ins Getriebe, wenn der Anspruch mit dem Resultat, die hehre Moralinstanz an ihren Behauptungen gemessen wird. Von heute nach hinten gesehen Fallen da Missbrauchsskandale, Kungeleien mit Diktatoren, Zensur des Denkens, Kampf gegen Menschenrechte und Demokratie, Unterstützung von Feudalsystemen, systematische Frauenunterdrückung und -entmenschlichung, Antreiben zu und Führen von Religionskriegen, Unterdrückung der Wissenschaft, und, und und ein. Das Schwarzbuch der Christenheit hat viele dicke Bände.
Kommt dazu, dass ausgerechnet die üblen Positivisten - sprich Verhaltensforscher und andere Naturwissenschaftler - Kooperatives, ja auf Gerechtigkeitssinn basierendes Handeln quer durch die Biosphäre finden. Die vielfach propagierte Sicht, dass uneigennütziges Handeln von der wissenschaftlichen Sicht her nicht erklärbar ist, gilt schon lange nicht mehr - teilweise über Artengrenzen hinweg.
Doch so schaffte es Joseph Ratzinger tatsächlich, vor einem demokratischen Parlament als Chef einer Organisation, die immer noch die Hälfte der Menschheit ganz offiziell diskriminiert, den Politikern Lektionen in moralischem Handeln zu erteilen und dafür am Ende auch noch Applaus zu erhalten, obwohl es Aktenkundig ist, dass er selbst wegen Missbrauch erwischte Priester in neue Posten versetzte, wo sie neue Opfer fanden, statt diese der Justiz zu übergeben.
Natürlich liesse sich nun immer noch das Hütchenspiel machen, bei dem jeweils betont wird, dass Ratzinger ja nicht mehr Ratzinger sondern Papst sei, und daher nicht als der Leiter der Glaubenskongregation, der er vorher war, betrachtet werden solle oder dann, wenn es um die Verfehlungen früherer Päpste und der Kirche geht, man könne diese ja nicht ihm anlasten. Doch für jemanden, der nicht an diese pontifikale Schizophrenie glaubt, ist Joseph Ratzinger ein Mensch, der Verbrecher vor ihrer gerechten Strafe geschützt hat und Vorsitzender einer Organisation, die seit Jahrhunderten gegen die Rechte der einfachen Menschen kämpfte.
Und somit eine Krasse Fehlbesetzung, wenn es darum geht, in einer Demokratie den Politikern moralische Lektionen zu erteilen, nicht nur wegen der schön tönenden, aber bei genauem abklopfen morschen Botschaft, sondern vor allem auch wegen des Botschafters, der sie verkündet hat.