Nicht zum ersten Mal in der Geschichte des Fussballs war das «Vorbeben» des Giganten-Duells erheblich grösser als die Vibrationen auf dem Rasen. Das Aufeinanderprallen zweier Fussball-Kulturen setzte nur während den ersten 45 Minuten Energie frei, ehe sich Europas Ikonen gegenseitig neutralisierten und der Unterhaltungswert markant absackte.
Beidseits standen im Prinzip genügend hochdotierte Künstler zur Verfügung, die sich jederzeit über taktische Systeme hinwegzusetzen vermögen. In ihren Ligen hatten die beiden Champions in den Wochen vor der dritten Direktbegegnung dieser Saison die Fussball-Gourmets mit Spektakel «à discrétion» verwöhnt. Nun wurden die Torproduzenten im Viertelfinal zum Stillstand gezwungen.
Milan - Defensive First
In der Runde der besten acht CL-Vertreter spielte vor allem für Milan mit Fortdauer des Spiels aber die Sicherung der Defensive eine übergeordnete Rolle. Wie klug sich die Herausforderer in der Rückwärtsbewegung verhielten, verdiente Respekt. Der Wert des 0:0 ist noch nicht abzusehen, zumal sich Barcelona in der Schlussphase nur noch auf das Minimum beschränkte.
Mit dem (beidseits) erst zweiten 0:0 seit der letzten Sommerpausen können die Coaches mutmasslich gut leben. Milan kontrollierte die global bewunderte Offensive, und der FC Barcelona kann sich angesichts seiner beeindruckenden Zahlen vor eigenem Publikum ein torloses Auswärtsremis jederzeit leisten; im Camp Nou sind die Katalanen seit 51 (!) Spielen ungeschlagen.
Die Penaltyszene und Barças Ärger
Zumindest zur Pause trügte das Ergebnis. Das torlose Resultat passte so überhaupt nicht zur Vorgeschichte und schon gar nicht zum Verlauf der Partie. Im Giuseppe Meazza legten die italienischen und speziell die spanischen «Pokerer» ihre Karten früh auf den Tisch. Keiner der Protagonisten hielt sich zunächst zurück.
Kevin-Prince Boateng setzte das erste Zeichen bereits in der 3. Minute. Sekunden später stand ein nächster Mailänder solo vor dem Tor: Robinho setzte den Ball nicht ins Tor, sondern in die erste Etage der Tifosi. Die Italiener überraschten «Barça» mit ihrem forschen Stil. Aber der «Milan-Effekt» hielt nicht allzu lange an. Pep Guardiolas Equipe hatte offenbar mit dem frühen Ansturm gerechnet und sich relativ schnell auf die «Bedrohungslage» eingestellt.
Zu einem längeren Lamento führte die erste prekäre Szene vor dem Tor Milans. Nach einer mit einem flachen Freistosspass ausgelösten Kombination stand Alexis Sanchez solo vor Abbiati und wurde vom Keeper der Einheimischen unsanft gestoppt. Die Katalanen beschwerten sich minutenlang - nicht ohne Grund: Abbiati touchierte den Chilenen.
Ungewohnt: Kein Treffer für Lionel Messi. /


Gegen einen Foulpenalty hätte kein Italiener etwas einwenden können.
Torkolosse lahmgelegt
Im Nachgang der Partie dürfte aber nicht der umstrittene Entscheid des schwedischen Schiedsrichters Eriksson im Zentrum der medialen Debatte stehen. Viel mehr ist die Frage zu stellen, weshalb die weltbesten Skorer nicht enscheidend zum Zug kamen. Lionel Messi, der vor wenigen Tagen zum besten Torschützen (235 Treffer) der Geschichte des FCB aufgestiegen war und zuletzt in neun Partien 18-mal traf, stürmte für einmal vergeblich an.
Um Messi, das ist zu seiner Entlastung zu sagen, kümmerten sich ausnahmslos mehrere Milan-Verteidiger mit einer unerhörten Intensität und Cleverness. Der Argentinier profitierte für einmal auch nicht von der Vorarbeit der Weltmeister Xavi und Iniesta. Das Duo liess sich in Abnützungskämpfe verwickeln und fand in der teilweise hermetisch abgeriegelten Platzhälfte des Serie-A-Leaders keinen Raum vor für die üblichen «Laserzuspiele».
Aber auch der zweite Torkoloss wurde entgegen aller Prognosen lahmgelegt: Zlatan Ibrahimovic verschwand früher als anderen Superstars vom Radar. Der Schwede, um den sich im Vorfeld wegen seiner schriftlichen Abrechnungen mit Barça-Coach Guardiola die Weltmedien tagelang gekümmert hatten, mühte sich abseits des Brennpunkts ab.
Milan - FC Barcelona 0:0
Giuseppe Meazza. - 76'169 Zuschauer. - SR Eriksson (Sd).
Milan: Abbiati; Bonera, Nesta (75. Mesbah), Mexès, Antonini; Nocerino, Ambrosini, Seedorf; Boateng (67. Emanuelson); Robinho (52. El Shaarawy), Ibrahimovic.
FC Barcelona: Valdes; Dani Alves, Piqué, Mascherano, Puyol; Xavi, Busquets, Keita; Alexis Sanchez (76. Pedro), Messi, Iniesta (65. Tello).
Bemerkungen: Milan ohne Thiago Silva, Abate, Pato (alle verletzt), Van Bommel (gesperrt), Barcelona ohne Abidal, Adriano (beide verletzt). Verwarnungen: 23. Seedorf, 57. Nesta, 61. Keita, 70. Ambrosini (alle Foul).