Die Stimmung ist gelöst im Pressesaal des Stadions Polonii in Warschau. Es wird viel gescherzt und gelacht, Polnisch, Englisch und Französisch gesprochen, und zwischendurch erhalten die Akteure auf dem Podium sogar Applaus. Tomasz Rzasa trägt viel zur lockeren Stimmung bei. Mit seinem charmanten, unkomplizierten Auftreten koordiniert er die Vorschriften der UEFA mit den einzelnen Wünschen der Journalisten und den Bedürfnissen der Mannschaft scheinbar problemlos - und stets mit einem Lächeln.
Nach einer fast 20-jährigen Fussball-Karriere kennt der frühere Mittelfeldspieler die Bedürfnisse der Medien. Seit neun Monaten ist Rzasa beim polnischen Verband für die Medienarbeit der Nationalmannschaft zuständig, nachdem er zuvor drei Jahre bei seinem Heimatklub Cracovia Krakau als Technischer Direktor gearbeitet hatte. Sein Job in der Nationalmannschaft geht aber weit über die Arbeit eines Kommunikationsdirektors hinaus. Rzasa ist auch Teil des technischen Staffs, weshalb er selber auch immer wieder ein gefragter Gesprächspartner ist. Zudem spricht Rzasa neben Polnisch auch noch Englisch, Deutsch, Holländisch und Serbisch.
Wanderjahre in der Schweiz und Holland
Gelernt hat er die Sprachen während seiner Wanderjahre im Ausland. Zürich, Lugano und Bern hiessen die Stationen zu Beginn seiner Ausland-Karriere Mitte der Neunzigerjahre, danach spielte Rzasa acht Jahre - mit einem zwischenzeitlichen Abstecher nach Belgrad - in Holland, ehe er seine Karriere bei Ried in Österreich ausklingen liess. Seinen grössten Erfolg feierte er 2002 mit Feyenoord Rotterdam und dem Gewinn des Uefa-Cup.
Als polnischer U21-Internationaler war Rzasa im Januar 1995 zu den Grasshoppers gestossen. Unter Trainer Christian Gross gewann er mit den Zürchern zweimal den Meistertitel und spielte in der Champions League. Verletzungen setzten ihn allerdings immer wieder ausser Gefecht, worauf er seinen Stammplatz verlor und zweimal ausgeliehen wurde (Lugano/YB).
«Es war eine schöne Zeit»
Trotz der gesundheitlichen Probleme erinnert sich der mittlerweile 39-Jährige gerne zurück: «Es war eine schöne Zeit. Ich habe fussballerisch sehr viel gelernt», so Rzasa. Sein Nachbar in Zollikerberg war Pascal Zuberbühler, sein bester Kumpel hiess Eric Viscaal, auf dessen Initiative er später auch nach Holland wechselte, und mit Johann Vogel hielt Rzasa auch später noch Kontakt, als beide in der holländischen Eredivisie spielten.
Am besten in Erinnerung ist Rzasa die Champions-League-Partie im Oktober 1995 auswärts gegen Ajax Amsterdam, den damaligen Titelträger. Es war das erste Spiel Rzasas in der Königsklasse, nachdem er die Partien gegen Ferencvaros Budapest und Real Madrid verpasst hatte. Auch gegen Ajax verloren die Grasshoppers (0:3), doch gegen diese Mannschaft zu spielen, vor knapp 50'000 Zuschauern im alten Olympiastadion, sei ein Erlebnis gewesen. Rzasas Gegenspieler hiessen Frank und Ronald de Boer - und auch an die Torschützen Patrick Kluivert und Finidi George mag er sich erinnern.
«Chance, das schlechte Bild zu korrigieren»
Nun gilt Rzasas Fokus aber der Gegenwart, dem Turnier und dem sportlichen Abschneiden seines Teams: «Wir wollen in die Viertelfinals.» Im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute ist dies aus seiner Sicht allerdings keine einfache Aufgabe. Russland sei zu favorisieren, dann komme Griechenland. «Unsere Stärke ist das Kollektiv. Das macht uns gefährlich, daraus schöpfen wir Hoffnung», so der Ex-Internationale, der 2002 an der WM in Japan und Südkorea teilnahm. Der Rummel um das Team ist gross. «Dies ist aber auch ein schönes Gefühl, denn das Turnier ist für alle eine einmaliges Erlebnis.»
Von einer Sensation und sogar einem Finaleinzug seines Teams mag Rzasa nicht träumen. «Wir sind realistisch.» Geht es nach ihm, spielen am 1. Juli in Kiew Deutschland und Spanien im Final gegeneinander. Für das Land selbst sei das Turnier eine Chance, sich Europa zu präsentieren. «Wir wollen das schlechte Bild, das einige von uns haben, korrigieren.»
Rzasas Engagement beim polnischen Verband ist bis nach der EM befristet. Wie es nachher für ihn weitergeht, weiss er noch nicht. «Ich habe keinen Stress.» Dem Fussball will er erhalten bleiben. «Er ist die Liebe meines Lebens und mein grösstes Hobby.» Mit seiner Familie, mit der er in seiner Heimatstadt Krakau wohnt, will Rzasa bald einmal Holland und die Schweiz besuchen. «Meine Kinder sollen sehen, wo das mit ihrem Papa alles angefangen hat.»