Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Montag, 2. Juli 2012 / 11:09 h
Ebenso tatenlos hatte die Welt ja schon die Zerstörung der riesigen Buddha-Statuen im aghanischen Bamiyan-Tal zugeschaut, als im März 2001 dort die ca. 1500 Jahre alten Riesenstatuen von den Taliban endgültig vernichtet wurden.
Religiöse Eiferer haben sich über die Jahrhunderte immer wieder durch wilden Hass und Zerstörungswut ausgezeichnet und der Welt einen gigantischen Verlust von Wissen und Schönheit beschert.
In Europa sorgten einst sehr prominent die reformierten Bilderstürmer dafür, dass grosse Mengen mittelalterlicher Sakralkunstwerke (und ausser diesen gab es nicht viel an Kunst in jener Zeit) für immer verloren gingen.
Wer den bedeutendsten Verlust antiken Wissens zu verantworten hat, ist hingegen immer noch nicht restlos geklärt: Ob dieses verdienst an den katholisch-orthodoxen Kaiser Theodosius I oder den Kalifen Umar ibn al-Chattab, der 642 Alexandria erobert hatte, geht, ist noch unklar, wer dieser legendären Bibliothek nach Kriegsschäden durch Cäsar und Aurelian den Rest gegeben hatte. Dabei ist zu beachten, dass die Bibliothek bei den Angriffen Cäsars und Aurelian das war, was heute so wunderbar als Kollateralschaden bezeichnet wird.
Bei den letzteren potentiellen Zerstörern der Bibliothek hingegen handelt es sich um jene, die gezielt die Intitution und vor allem deren Inhalt vernichten wollten - und zwar aus theologischen Gründen.
Bisher war nur von materiell-kulturellen Opfern die Rede, welche die Barbaren forderten. Doch durch die Geschichte hindurch haben Barbaren auch gemordet - vielfach im Namen von Gott, neuerdings auch im Namen der Nation und der Revolution. Doch Gott bleibt der Dauerbrenner.
Bei uns redet man - auch in diesem Artikel wurden sie ja zuoberst angeführt - vor allem von den Islamisten, und wo immer diese am Drücker sind wird geprügelt, gesteinigt und unterdrückt, was das Zeug hält.
Die Welt sah tatenlos zu: Nische der Buddha-Statue im afghanischen Bamiyan-Tal /


Doch auch die fundamentalistischen Christen zeigen überall dort, wo sie wirklich Einfluss haben, ihre Lust an Unterdrückung und Hass. In Uganda, wo christliche Fundamentalisten dank US-Amerikanischer «Missionare» eine entscheidende politische Kraft geworden sind, soll ein Gesetz gegen das Fordern von Rechten für Homosexuelle erlassen werden um jene, die «Homsexualität finanzieren und sponsern» hart bestrafen zu können. Homosexualität selbst ist bereits verboten. Lokale Zeitungen enthüllen derweil die Identität von Homosexuellen zusammen mit der Aufforderung, diese zu lynchen.
Das Gesetz, dass schon zwei Jahre im Parlament hängig ist, wird nun wahrscheinlich durchkommen, weil die Todesstrafe daraus entfernt worden ist... na toll.
Barbarei kommt allerdings auch bei uns wieder vor - nur in einem anderen, rein gewaschenen Gewand, ja fast schon keimfrei. Dabei hilft vor Allem die Globalisierung mit: Kinderarbeit, Akkordschufterei bis zum Selbstmord machen viele Kultgeräte und Alltagsprodukte nicht nur erschwinglich sondern saubillig und erlauben den Herstellern zugleich tolle Gewinnmargen, während Rohstoffe, auf die wir angewiesen sind unter unsäglichen ökologischen und ökonomischen Bedingungen gewonnen werden. Dies alles so weit weg und perfekt hinter dem PR-Dickicht der Firmen verborgen, dass wir nicht mal wegschauen müssen.
Die Gier nach und die Ungleichverteilung von Ressourcen und den Gewinnen aus diesen und die ökologischen Probleme durch nicht nachhaltiges Wirtschaften hat vergleichbare Konsequenzen wie die Barbarei mit Kalaschnikow und Spitzhacke: Menschen sterben, werden vertrieben und Kulturen gehen mit ihrem Erbe zusammen unter. Barbarei kommt in vielen Formen und Schattierungen vor, ja manchmal erkennt man sie nicht einmal, vor allem wenn sie mit der Kredikarte in eienm klimatisierten Hochglanzshop ausgeübt werden kann, was für unserer Wahrnehmung natürlich entscheidend ist.
Die Relevanz für die Opfer, ob sie einem hassenden religiösen Irren oder einer Enteignung unter Waffenandrohung durch einen gleichgültigen Weltkonzern anheim fallen, darf hingegen bezweifelt werden.