Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Freitag, 13. Juli 2012 / 11:56 h
Maschinenstürmer waren, geschichtlich betrachtet, auf dem falschen Dampfer, wir wissen das unterdessen. Die Maschinen, die ihnen die Arbeit nahmen, schafften am Ende mehr Arbeitsplätze und dank Tarifverträgen und Gesetzen im Arbeitsschutz waren irgendwann die Arbeiter, wenn auch nicht die Gewinner, so doch auch nicht die Verlierer.
Man mag diese Erfolge, welche die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts geprägt haben, der sozialen Bewegung zuschreiben. Doch mindestens ebenso stark waren sie in einer banalen Tatsache begründet: Die damaligen Maschinen waren nicht intelligent. Ja, sie waren nicht mal dumm, sondern noch zwei Stufen darunter.
Jeder, der ein Smartphone hat, kann mit eigenen Augen sehen, wie stark sich die Welt seither geändert hat: Ein Gerät, das So schwer wie eine Tafel Schokolade ist und weniger als 1000 Franken kostet, kann seine geographische Position feststellen, Wege berechnen, Gegenstände, die seine Kamera erfasst, identifizieren, Gesichter erkennen, Informationen abgleichen, ja sogar bewerten. Sicher, an sich ist das Gerät immer noch blöd wie ein Backstein. Doch die Qualität der Blödheit ist meilenweit von jener einer Stahlpresse aus den 70ern weg.
Wenn Maschinen bis vor kurzem noch vor allem Grobarbeiten erledigten und monotone, repetitive Jobs ausführten, so sind heute auch komplexe Arbeiten dank den extremen Fortschritten in der Sensorik alltäglich geworden. Automatische Maschinen übernehmen unterdessen Raumpflegearbeiten, autonome Roboter mähen den Rasen und ganze Fabrikhallen sind unterdessen Menschenleer geworden. Flexibel programmierbare Roboter erlauben es, an Fertigungslinien verschiedene Produkte, bunt gemischt herzustellen, so dass nur noch eine - dazu noch billigere - vollautomatische Fertigungslinie notwendig ist, statt an heiklen Punkten Menschen einsetzen zu müssen.
Und die Automation geht schon weiter. In Nevada werden bereits spezielle Kennzeichen für autonom fahrende Autos ausgegeben. Es muss momentan zwar noch eine Person das Auto kontrollieren, aber das Ziel ist klar: Den Fahrer unnötig zu machen. Na und, sagt da so mancher, dann kann ich mich beim Fahren eben zurücklehnen. Doch weltweit leben Millionen von Menschen davon, Autos, Busse, Liefer- oder Lastwagen zu fahren. Und nein, dies ist nicht das gleiche wie die Umstellung von Pferdewagen auf Autos.
Fahrerloses Auto: Technik die Millionen Jobs bedrohen wird. /


Hier muss der Kutscher nicht auf Chauffeur umschulen... der Fahrer ist hier nachher einfach weg.
Doch nicht nur solche «einfachen» Jobs sind auf der Kippe. Selbst manche Anwälte müssen um ihre Arbeit fürchten. Wenn es um die Überprüfung komplexer Vertragswerke geht, die häufig tausende von Seiten umfassen, kommen bereits Expertensysteme zum Einsatz, welche diese Monsterdokumente auf Widersprüche und Inkonsistenzen überprüfen und so tausende gutbezahlter Arbeitsstunden von Experten einsparen.
Technischer Fortschritt war schon immer ein Druckfaktor im Arbeitsmarkt und so auch der Faktor, welcher die kreative Zerstörung voran brachte, jenen Strukturwandel, der zwar Altes vernichtet aber zugleich neue Möglichkeiten schafft. Doch bis vor kurzem war der Fortschritt zwar schnell, aber relativ linear. Doch die Computerrevolution hat eine exponentielle Funktion auch in die reale Welt eingebracht, welche die Anpassungsfähigkeit der gewachsenen Strukturen offenbar überfordert.
Wenn in den USA die Firmengewinne und Firmeninvestitionen seit dem Tiefpunkt der Krise 2008 wieder stark gestiegen sind, die Beschäftigungsrate der Bevölkerung aber auf einem Tiefpunkt verharrt, so ist dies mehr als nur ein dezenter Hinweis auf ein Problem, das nicht so einfach von der Politik gelöst werden kann (auch wenn es ihr in die Schuhe geschoben wird). Vor allem, wenn man realisiert, dass die negative Arbeitsmarktentwicklung schon vor der Krise begonnen hat.
Die gleichzeitig rasant wachsende Ungleichverteilung der Vermögen zeigt, dass die Gewinne aus der digitalen Revolution zum grossen Teil an die Unternehmen und deren Besitzer gehen und die verbleibenden Arbeiter nur wenig von der immer grösseren, von ihnen geschaffenen Wertschöpfung haben - die Umverteilung nach oben wird immer extremer. Und damit auch die Spannungen in der Gesellschaft.
Schnelle Lösungen im vorhandenen System gibt es nicht. Höhere Gewinnsteuern scheitern vielfach an der Globalisierung, eine Bildungsoffensive würde und wird von rechts mit Händen und Füssen bekämpft und dürfte wenn, dann erst nach Jahren, positive Resultate zeitigen. Im Angesicht der Aushöhlung des Arbeitsmarktes, der irgendwann auch noch die letzten Inseln der Glückseligen (wie auch die Schweiz) erreichen dürfte, muss was getan werden.
Also was jetzt? Doch Maschinensturm? Oder anerkennen, dass der technische Fortschritt menschliche Produktions-Arbeit früher oder später zu einem guten Teil unnötig machen wird und die Automationsgewinne zu einem Teil sozialisiert werden müssen, wenn wir keine neo-feudalen Zustände haben wollen, die sich bereits zu etablieren beginnen?
Die momentanen Entwicklungen sprechen allenfalls für das bedingungslose Grundeinkommen, ein Konzept, das vermutlich nicht zufällig gerade jetzt immer ernsthafter diskutiert wird und im Angesicht einer wahren Automatisierungsflut das einzige sein könnte, was einen Kollaps des Systems verhindern könnte, auch wenn es manchem noch wie ein sozialistischer Fiebertraum vorkommen mag.
Eine Wende dieser Entwicklung könnte allenfalls eine durch Peak-Oil und andere Phänomene ausgelöste Energiekrise bringen... auch nicht wirklich wünschenswert. Der rasante Wandel der Arbeitswelt, der mit Sicherheit noch schneller wird, erfordert von uns eine grundsätzliche Neubewertung der Gesellschaft und ihrer Strukturen. Und zwar schnell, sonst könnten wir vom Fortschritt in einer Art und weise überrollt werden, dass Chaplin's «Modern Times» uns wie Wunschtraum vorkommen wird.