Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 17. Oktober 2012 / 10:06 h
Die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlamentes stellt ungläubig fest: Risikomanagement, Sicherheitskontrollen und Personalübersicht im schweizerischen Nachrichtendienst? Fehlanzeige! Behebung der Sicherheitsmängel nach schwerwiegenden Verstössen? Keine Spur! Übersicht des neu zusammengelegten Informatiksystems inklusive Haftung und Sekurität? Woher denn!
Die Geschichte wäre zum Lachen, wenn sie nicht derart scharfe internationale Konsequenzen hätte. Da ist es einem kleineren Nachrichtendienstler möglich, entscheidende und höchst vertrauliche Informationen aus aller Welt auf seinen Laptop zu kopieren und im Rucksack nach Hause zu tragen. Meine ausländischen Freunde lachten sich krumm, als ich ihnen die Geschichte erzählte und sie fragten sich, ob dies kein Thema innerhalb der Sicherheitssysteme auch der NATO werde. Innerhalb der US-amerikanischen wie israelischen Nachrichtendienste ist dies sicherlich der Fall. Denn nach dieser unglaublichen Geschichte wird kein nationaler Sicherheitsdienst, der seinen Namen noch verdient, der Schweiz sensible und wichtige Daten übermitteln. Nachrichtendienste haben es zwar an sich, ziemlich seltsame Leute in ihren Reihen zu versammlen, doch zumindest in den USA und in Israel sind diese alles andere als doof.
Der Reputationsschaden, den das schweizerische Verteidigungsdepartement in seiner Seldwyla-Mentalität angerichtet hat, ist für die künftige internationale nachrichtendienstliche Tätigkeit enorm - ganz abgesehen davon, dass der Vorfall wieder einmal zeigt, dass es dem schweizerischen Sicherheitsdienst wichtiger ist, die eigenen Staatsbürger zu bespitzeln statt die ihm vom Gesetzgeber verordneten Aufgaben zu erfüllen.
Als ausländische Geheimdienstlerin würde ich nach diesem unglaublichen Vorfall, dass ein subalterner Informatikbeamter in der kleinen Schweiz meine unfassbar brisante Daten einfach im Rucksack aus dem Nachrichtendienstzentrale heraustransportieren und allenfalls meinen Gegenspielern verkaufen kann, meine Vorgesetzten bitten, die Schweiz künftig in jeder internationalen Mitarbeit aussen vor zu lassen. Ich denke, das ist eh schon passiert, nur werden dass die Geheimdienste kaum direkt an die News-Agenturen melden.
Je mehr man über die unglaublichen Zustände im schweizerischen Sicherheitsdienst liest, umso hinterwäldlerischer kommt einem das Verteidigungsdepartement, ja eigentlich der gesamte Bundesrat vor.
Enormer Reputationsschaden dank Seldwylamentalität: Bundesrat Ueli Maurer und sein VBS. /


Da spielt die Schweiz finanziell und nachrichtentechnisch global auf höchster Stufe mit und verhält sich wie ein Bauer, der plötzlich in die europäische Wettbewerbskommission befördert wurde. Ich nehme letzteres zurück, denn ein Bauer fände sich in der europäischen Wettbewerbskommission sicher besser zurecht als Bundesrat Ueli Maurer in seinem VBS. Stellen Sie sich vor, Samuel Schmid, der halbe SVP-Bundesrat, hätte all die Ungereimtheiten, Skandale und diesen Datenklau zu verantworten? Er wäre schon längst von der SVP aus dem Amt gejagt worden! Aber offenbar sind Einige gleicher als Andere.
Denn es ist ja nicht nur die mangelnde Leitungsfunktion von Bundesrat Maurer, die ihm punkto Nachrichtendienst von der GPDel des Parlamentes vorgeworfen wird. Bundesrat Maurer spielt ja auch mit dem Gripenkauf ein Theaterstück, das selbst Kafka nicht hätte besser schreiben können. Und Maurers Armeechef Blattmann verbringt seine Zeit wohl auch lieber damit, Armeeeinsätze gegen die Europäische Union zu planen, Kolumnen zu schreiben und Briefe an kritische Journalistinnen zu verfassen (wie letzte Woche an mich als ich mit guten Gründen und Quellen wagte, der Armee Blindheit auf dem rechten Auge vorzuwerfen) statt für klare Verhältnisse, Risikomanagement und demokratische Verantwortung in seinem Laden zu sorgen.
Der grösste Datenklau aller Zeiten ist nur einer von den vielen strukturellen Mängel innerhalb des Verteidigungsdepartementes. Er passt in die Reihe anderer Skandale, in die auch das Insieme-Debakel gehört. Jede andere europäische Regierung müsste nach solchen Fällen klare politische und personelle Konsequenzen ziehen. Doch in der Schweiz werden nicht die zuständigen Stellen gerügt, sondern die Journalisten schikaniert, welche diese Fälle publik machen. Ich freue mich schon auf Post vom Bundesrat des VBS.denn dafür haben die Herren - quod erat demonstrandum - offenbar mehr Zeit, als dafür, ihre wichtigen Aufgaben zu erledigen.