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Religion taugt nicht als Friedensstifterin

Der «Interreligiöse Runde Tisch» im Kanton Zürich rief zum Jahreswechsel zur Teilnahme an Friedensprojekten auf und behauptete, dass es in «unseren Religionen zentral um den Wunsch nach Frieden geht». Die Mehrheit der SchweizerInnen hat sich allerdings von der organisierten Religion längst distanziert, und diese Distanz ist zwar noch keine Garantie, aber eine zentrale Voraussetzung für Frieden.

Reta Casper / Quelle: news.ch / Donnerstag, 3. Januar 2013 / 09:03 h

Religion hatte in der Kulturgeschichte primär die Funktion, die Gruppenzugehörigkeit zu festigen. Je nach Lage wurde sie auch mehr oder weniger intensiv zur Abgrenzung gegen andere Gruppen eingesetzt. Dass Religion Frieden zwischen den Gläubigen und den Andersgläubigen oder gar Ungläubigen zu stiften vermag, ist historisch nicht belegt. Das Christentum sei eine Friedensbotschaft, behaupten die Interreligiösen. Kann man so verstehen, muss man aber nicht. In der Realität haben sich zwar immer wieder einzelne Christen für Frieden eingesetzt, als Religion hat das Christentum aber keinen guten Leistungsausweis. Wer einen Einblick erhalten will, lese Karlheinz Deschners zehnbändige «Kriminalgeschichte des Christentums»: «Vielleicht, wer weiss, wäre eine nichtchristliche Welt in genauso viele Kriege gestürzt - obwohl die nichtchristliche Welt seit siebzehn Jahrhunderten weniger Kriege führt als die christliche! Schwer vorstellbar aber in einer heidnischen Welt: die ganze Heuchelei der christlichen. Und noch schwerer denkbar deren religiöse Intoleranz.» Die Reformierten haben zwar mit einigen Missständen des Katholizismus aufgeräumt, sie suchen heute aber die Ökumene mit den Evangelikalen, die in ihrem Selbstverständnis genauso anmassend und ausgrenzend sind wie die Katholische Kirche und von denen einige in ihrem Wahn sogar soweit gehen, den Unfrieden in der Welt als Zeichen der Endzeit willkommen zu heissen. Im Judentum und im Islam sei die Botschaft des Friedens so wichtig, schreiben die Interreligiösen, dass die Wörter «Schalom» und «Salam» sogar in die Grussformeln Eingang gefunden haben. Juden lebten viele Jahrhunderten tatsächlich ohne Aggression gegen andere. In der Diaspora machtlos haben sie sich in die innere Emigration zurückgezogen. Im Staat Israel zeigt sich aber, dass ultrarorthodoxe Juden im Namen ihr «Verheissung» als Friedensverhinderer auftreten. Der Islam wird seit mehr als einem Jahrzehnt weltweit als potenziell hochgefährliche Religion wahrgenommen. Der ehemalige Imam Arif Tekin schreibt derzeit an einer Art «Kriminalgeschichte des Islams» und in «Warum ich kein Muslim bin» beschreibt ein Islamkritiker, der unter dem Pseudonym Ibn Warraq auftritt - in Anlehnung an Bertrand Russells Buch «Warum ich kein Christ bin» - den arabische Imperialismus, islamische Kolonisierungen und die Stellung der nicht-muslimischen Unterworfenen. Hamed Abdel-Samad, Politikwissenschafter und Historiker an der Universität München und Verfasser des autobiografischen Buches «Mein Abschied vom Himmel. Aus dem Leben eines Muslims in Deutschland» (2009) schreibt über liberale Muslime: «Kommt hinzu, dass sie wie die religiösen Fundamentalisten selbst vom Text des Korans besessen sind. Während die Terroristen darin Rechtfertigung für Gewalt suchen und finden, stöbern Liberale nach friedfertigen Passagen, die das Zusammenleben ermöglichen.



Immer schön friedlich: Kreuzritter beim christlichen Metzeln. /

Beide stärken damit die Autorität eines Buches, das für die Bedürfnisse einer vormodernen Gemeinde im 7. Jahrhundert entstanden war und im 21. Jahrhundert historisiert gehört. Den Reformern fehlen die letzte Konsequenz und der Mut, dafür zu plädieren, den Koran politisch zu neutralisieren und aus dem politischen Diskurs zu verbannen.
» Hindus und Buddhisten würden zu Recht auf den engen Zusammenhang zwischen innerem, persönlichem Frieden und dem Frieden in der Welt hinweisen, schreiben die Interreligösen. Wie andere Religionen auch, gibt es im Hinduismus Lehren, die Gewalt und Krieg verurteilen und Lehren, die eine kriegerische Haltung als moralische Pflicht sehen und Ausgrenzung und Unterdrückung im Rahmen des Kastenwesens befürworten. Im real existierenden Buddhismus Tibets gab es herrschende Mönchs-Elite, die Land und Menschen ausgebeutet und eine strenge Kasten-Hierarchie aufrechterhalten hat. Und auch wenn das Tötungsverbot das erste Gebot des Buddhismus ist, Folterungen waren Teil des Strafrechts, wie Colin Goldner in «Mythos Tibet» schreibt. In mitunter auch gewalttätigen Konflikt geraten «tolerante» Hinduisten und Buddhisten, wenn es um die reale Macht im Staat geht: in Indien, in Sri Lanka und auch in Nepal. Religionen sind allesamt ambivalent. Ihr mystischer Aspekt vermag einzelne Menschen bestenfalls zur Friedensstiftern werden lassen - die Mehrheit der MystikerInnen ziehen sich allerdings von der Gesellschaft zurück. Der institutionelle Aspekt von Religionen hingegen - Wahrheitsanspruch und moralische Machtausübung verbunden mit politischem Einfluss des Klerus - formt globale Kampftruppen im Namen einer höheren Macht. Da wird zwar Friedensrhetorik betrieben, Frieden zu machen ist damit aber nicht. In der Schweiz organisieren sich die Interreligiösen unter dem Namen IRAS-COTIS seit 20 Jahren als Interessengemeinschaft der in der Schweiz vertretenen Religionsgemeinschaften. Sie bewirtschaften u. a. das Thema Religion in der Integrationsdebatte. Integration durch Religion kann aber schon rein praktisch keine Strategie sein in einer Gesellschaft, in der sich 64% der Menschen von der organisierten Religion distanzieren. Diese Distanz ist selber zwar noch keine Garantie, aber eine zentrale Voraussetzung für Frieden.

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