Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Freitag, 30. August 2013 / 11:44 h
Wer auf die Websites der Impfgegner geht und die dort aufgestellten Behauptungen anschaut, bekommt geradezu Gänsehaut. Da werden Studien präsentiert, die Impfschäden beweisen sollen und im ersten Moment scheinen die Zahlen auch die Hysterie zu bestätigen. Bis man feststellt, dass die angeführten Studien von Impf-Gegner-Organisationen durchgeführt wurden und die erhobenen Zahlen offenbar auf Umfragen beruhen, bei denen die befragte Gruppe nicht zufällig ausgewählt wurde, sondern dort offenbar vor allem jene antworteten, die glaubten, bei ihren Kindern einen Impfschaden erkannt zu haben.
Ja, es wird auf der einen Impf-Gegner-Seite sogar dazu aufgerufen, an einer Studie online teilzunehmen, damit diese mehr Kraft erhalte. Scheinbar ist diesen lebensgefährlichen Humoristen nicht das alte Prinzip: «Rubbish in - Rubbish out» bekannt. Oder anders gesagt: Mehr schlechte Daten als Grundlage verwandeln Schrott nicht in Gold.
Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es tatsächlich ein Datenproblem gibt, da eine breite Untersuchung der effektiven Auswirkungen von Impfungen praktisch nicht möglich ist, da es durch die immer noch gute Durchimpfung der Bevölkerung hier keine «Kontrollgruppe» gibt, da die Ungeimpften vom Gruppenschutz der vielen Geimpften profitieren. Zudem ist das Nachfolgen grosser Zahlen Geimpfter und Ungeimpfter fast nicht möglich. Allerdings lässt sich anhand der Diphtherie ziemlich klar sehen, was passiert, wenn nicht mehr geimpft wird (wie auf dem Territorium der ehemaligen Sowjet-Union).
Doch beim Epidemiegesetz geht es nicht primär darum, sondern um die Tatsache, dass sich Infektionskrankheiten heutzutage viel schneller global ausbreiten können. Natürlich verdrehen heute sehr viele Leute die Augen, wenn sie von «Schweinegrippe» und «Vogelgrippe» hören. Das Argument, dass eh nichts komme, weil die letzten Male glimpflich abgelaufen sind, ist begreiflich, vor allem angesichts der damals herrschenden Medienhysterie.
Epidemologische Zeitbombe: H5N1 - «Vogelgrippe»-Virus /


Doch die Evolution ist gnadenlos und früher oder später wird ein Killervirus kommen.
Die letzte dramatische Pandemie war natürlich nicht jene von 2009, deren Virus sich zwar weltweit verbreitete, dessen Symptome aber glücklicherweise je länger je schwächer wurden. Vor 45 Jahren hingegen kostete eine Pandemie ca. 1 Million Menschen das Leben, wobei einige glückliche Zufälle dazu führten, dass nicht wesentlich mehr Menschen starben (siehe Wikipedia-Artikel «Hong Kong Flu»).
Doch es entstehen ständig neue Grippeviren und der H5N1 Virus, populär bekannt als «Vogelgrippe-Virus» ist dank seiner hohen Mutationsrate auch heute noch eine Zeitbombe. Zwar seien - vor allem durch Impfungen! - grosse Zuchtvogelbestände immunisiert, aber es komme immer wieder zu Ausbrüchen und Forschungen haben gezeigt, dass dieser Virus nur wenig Mutationen davon entfernt ist, durch die Luft von Säugetier auf Säugetier übertragbar zu sein. Menschen, die von H5N1 befallen werden, entwickeln eine virale Lungenentzündung und die Todesrate liegt bei schockierenden 60%, wobei diese Zahl vermutlich wesentlich tiefer liegt, da jene mit milderen Fällen dieser Grippe vermutlich nicht in Behandlung gingen und deshalb nicht in der Statistik auftauchen. Doch selbst eine 10%-Mortalität wäre absolut verheerend.
Wenn ein solcher Killer-Virus sich verbreitet - und er würde dank der extrem grossen Mobilität heutzutage rasend schnell auf allen Kontinenten ankommen können - muss es möglich sein, Leute zu impfen und jene, die sich nicht impfen lassen wollen, von denen, die nicht geimpft werden können (Menschen mit chronischen Krankheiten, Neugeborene, Alt, Allergiker), fern zu halten.
Es ist klar, dass solche Massnahmen nur bei bedrohlichen Krankheiten getroffen werden dürfen. Die Möglichkeit, die wahrgenommene eigene körperliche Integrität vor das Allgemeinwohl zu stellen, muss gewahrt bleiben, dies ist der Preis der Freiheit. Doch ebenso muss die Allgemeinheit - vertreten durch den Staat - jene schützen, die keine Wahl haben.
Und jeder und jede die glaubt, dass Pandemien und Epidemien nur Propaganda sind, um Geld zu machen, beweist damit höchstens, wie entfernt viele Leute heute von der Realität leben und mit welcher Arroganz und Ignoranz sie die Natur betrachten und vielfach auch idealisieren. Wir sind nichts, als ganz normale Organismen, die sehr attraktiv für Krankheitserreger aller Art sind. Wir haben aber den Verstand und die Mittel, uns gegen einige von diesen zu verteidigen. Dem Staat für den Notfall die Mittel dafür zu geben, ist nichts als logisch.