Was die USA sich erlaubten, sei «völlig inakzeptabel», sagte Hannes Germann (SVP/SH) am Dienstag der Nachrichtenagentur sda. Der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates (APK) schliesst sich der Forderung verschiedener im «Tages-Anzeiger» zitierter Politiker nach einer Protestnote der Schweiz an. Den US-Botschafter vorzuladen, sei allerdings lediglich eine symbolische Aktion, gibt er zu bedenken.
Germann könnte sich mehr vorstellen. Die USA zeigten sonst mit «Moral-triefendem Finger» auf andere, im Fall der Schweiz insbesondere auf die Banken. Hier sei die Schweiz den USA auch weit entgegen gekommen, indem sie das US-Steuergesetz FATCA akzeptiert habe. Eine mögliche Reaktion auf die Spionage sei daher, das Abkommen zur Umsetzung von FATCA auszusetzen.
Koordinierte Aktion oder Alleingang?
Am besten wäre aus Sicht Germanns eine koordinierte Aktion mit europäischen Ländern, die FATCA ja ebenfalls akzeptiert hätten. Die Schweiz müsse aber nicht zwingend auf die EU warten, sie könne auch allein handeln. Denn sie müsse sich nicht alles gefallen lassen. Es gelte nun, die Möglichkeiten abzuklären, sagt der Aussenpolitiker und künftige Ständeratspräsident.
Die SVP, welcher Germann angehört, hatte das FATCA-Abkommen bereits im Parlament bekämpft. Mit FATCA («Foreign Account Tax Compliance Act») verpflichten die USA ausländische Banken dazu, Konten von US-Kunden ihren Steuerbehörden zu melden.
Nicht ins eigene Fleisch schneiden
Die Banken sind gezwungen, das Gesetz ab Mitte 2014 umzusetzen, sofern sie nicht faktisch vom US-Kapitalmarkt ausgeschlossen werden wollen. Dies gilt unabhängig vom Abkommen zur Umsetzung. Der Widerstand im Parlament hielt sich daher in Grenzen, auch wenn es vielen missfällt, dass FATCA den beinahe automatischen Informationsaustausch mit den USA bringt.
Die Idee, das Abkommen zu sistieren, stösst denn auch auf Skepsis. Damit würde sich die Schweiz selber schaden, sagt FDP-Präsident Philipp Müller.
In Genf fordern Politiker, dass die Schweiz auf die Datenschutzverletzungen reagiert. (Symbolbild) /


Eine Aktion im Alleingang sei ohnehin nicht sinnvoll. Die Schweiz müsse koordiniert mit anderen betroffenen Staaten reagieren. Ausserdem habe das eine - die Bankenfrage - nichts mit dem anderen - der Geheimdienstfrage - zu tun.
Für Experten keine Überraschung
Gemäss den neusten Enthüllungen betreiben die US-Geheimdienste in Genf eine Abhörstation, wie der «Spiegel» am Montag publik gemacht hatte. Aus dem Gebäude der US-Mission sollen Signale von Handys und WLAN-Netzwerken abgefangen werden.
Dies sorgt zwar für Empörung, ist für Experten aber keine grosse Überraschung. Dass die USA Kommunikationsleitungen anzapften, sei längst bekannt, betont etwa Albert Stahel, der Leiter des Instituts für Strategische Studien, in einem Interview mit der «Neuen Luzerner Zeitung». Der Sturm werde sich legen. «Und danach machen alle weiter wie bisher.»
Attraktiv für fremde Nachrichtendienste
Dass Genf als Sitz internationaler Organisationen besonders von Spionage betroffen ist, stellt auch der Schweizer Nachrichtendienst (NDB) fest. In seinen Lageberichten weist er jeweils darauf hin. So schrieb er etwa im letzten Bericht, die Schweiz werde auch in Zukunft attraktiv sein «als Ziel der Informationsbeschaffung durch fremde Nachrichtendienste».
Dies habe mit dem verschiedenen Faktoren zu tun, unter anderem mit dem hohen technologischen Standard der Schweizer Industrie, der UNO und anderer internationaler Gremien, dem Finanzplatz, dem Energie- und Rohstoffhandel sowie der zentralen Lage in Europa.
Einreiseverbote verhängen
Gegen erkannte Spione oder illegale nachrichtendienstliche Tätigkeit verdächtiger Personen kann der Bund Massnahmen treffen. So kann er bei den Herkunftsländern diskret vorstellig werden. Er kann auch Visa verweigern oder Einreiseverbote verhängen sowie Persona-non-grata-Erklärungen erlassen.
«Ab einer gewissen Stufe werden die Differenzen mit entsprechender Signalwirkung öffentlich ausgetragen», schreibt der Nachrichtendienst in seinem Lagebericht. Die politischen und sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz müssten aber immer wieder gegeneinander abgewogen werden.
Flächendeckende Abhöraktionen
Schlimmer als das Ausspionieren von Regierungen oder internationalen Organisationen sind für viele Experten die Hinweise auf flächendeckende Abhöraktionen. Dazu hält der Nachrichtendienst im Bericht fest, es sei nicht auszuschliessen, dass die Beteiligung ausländischer Telekommunikationsunternehmen am Aufbau oder Betrieb von schweizerischen Telekommunikationsnetzen durch fremde Nachrichtendienste missbraucht werden könnte.
Stahel glaubt indes nicht, dass die US-Geheimdienste Schweizerdeutsch verstehen. «So einen Aufwand betreiben die Amerikaner nicht, da sind wir dann doch zu wenig wichtig», sagt er im Interview. Dem Bundesrat rät er, «wichtige Belange im Walliser Dialekt zu bereden».