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Entartetes RechtIn diesen Tagen rauschen die deutschen und schweizerischen Blätter mit juristischen Spitzfindigkeiten. Zunächst erfährt die aufmerksame Leserin, dass der Sportmanager und Wurstfabrikant Ueli Hoeness, selbst wenn er wegen Steuerhinterziehung ins bayrische Gefängnis müsste, durchaus weiter Chef des Aufsichtsrats FC Bayern bleiben dürfe.Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 6. November 2013 / 09:19 h
Der Kaiser alias Franz Beckenbauer verkündet im Brustton des deutschen Rechtsverständnisses: «Wir sollten niemanden verurteilen, der mal einen Fehler gemacht hat.» Wäre doch schön, er sagte dies auch einmal zu einem Migranten, der sofort deportiert wird, obwohl dessen einziger Fehler es war, seine Papiere nicht sofort und ordnungsgemäss vorzuzeigen. Doch Einige sind immer gleicher als Andere.
Auch ganz niedlich ist das Votum des Aufsichtsrats zu seinem Vorsitzenden Hoeness: «Selbst bei einer Verurteilung sehe das Gesetz kein 'Amtsverbot' vor.» Die Kolumnistin freut sich schon auf spannende Vorstandssitzungen hinter dicken Gefängnismauern und Pressekonferenzen hinter dem Stacheldraht.
Wahrscheinlich freue ich mich aber zu früh. Denn zunächst muss geklärt werden, ob sich Hoeness zu spät oder rechtzeitig genug, selbst angezeigt habe. Klar doch: Er hätte seit Jahren die Möglichkeit gehabt, sich der Steuergerechtigkeit zu unterwerfen, doch wie es so geht, plagte ihn das furchtbare Gewissen erst als das Polit-und People-Magazin Stern bei der Schweizer Privatbank «Vontobel» zu recherchieren begann. Hoeness wird nun eventuell einen exorbitanten Beitrag zahlen müssen - was seinen Lebensstil jedoch nicht massgeblich beeinträchtigen wird, höchstens wohl seine Spendenfreudigkeit. «Es darf gedealt werden», meinte Heribert Prantl gestern in der Süddeutschen. Hoeness wird mit ein, zwei Jahren auf Bewährung einen Flecken in seiner Vita haben, doch (bitte Ironiedetektor einschalten): Welcher prominente Bayer hat das nicht? Franz Josef Strauss macht es ja selbst aus dem Grab heraus immer noch allen vor.
Apropos Alt-Nazi: Der Begriff «Entartete Kunst» ist nun wieder überall im Munde. Zwar immer mit «sogenannt» davor, doch das sprachliche Hakenkreuz setzt sich wieder prächtig durch. So auch bei Meike Hoffmann, Kunstexpertin, welche mit dem spektakulären Fall der aufgestöberten Werke in einer Münchner Wohnung beschäftigt ist. Ihre Worte an der Pressekonferenz vom 5.
Deutsche Gesetze: Manch Nazi-Gesetz ist immer noch in Kraft. /
November 2013, übertragen von SRF 1, «Rendez Vous am Mittag», lauteten folgendermassen: «Entartete Kunst ist ja nicht rückgabepflichtig, wie ich Ihnen gerade versucht habe zu erklären. Anhand dieses Gesetzes, das 1938 (sic!, Anm. R.St) erlassen wurde und das von den Alliierten und der jungen Bundesrepublik nicht zurückgenommen wurde.» Wie köstlich. Nicht nur, dass einige gleicher sind als andere, es gibt auch einige Nazi-Gesetze, die immer noch gültiger sind als gegenwärtige Rechtsvorstellungen. «Wo Adolf regiert» titelte die TAZ am 21. April (sic!) 2013. Trotz der «Unrechtsbereinigungs-Gesetze» (hach, wieder so ein Begriff, Anm. R.St) von 2002 und 2009, welche zum Beispiel die «Volksschädlingsverordnung» sowie die Verurteilungen der Wehrmacht-Deserteure aufhob (nicht einen Tag zu früh! Auch hier wieder Ironie-Detektor einschalten), sind nach TAZ-Bericht immer noch 29 NS-Gesetze auf deutschem Boden gültig. Eine Stunde Null gibt es also unter Juristen offenbar nicht - Zivilisationsbruch hin oder her. Die TAZ recherchierte bei Hartmut Scharmer, dem Geschäftsführer der Hamburger Standesvertretung der Anwaltskammer, der locker meinte: «Der mögliche Fortbestand solcher Gesetze hat für mich weder symbolische noch praktische Relevanz. Nicht jedes Gesetz aus der NS-Zeit ist rassistisch.» Selbst die TAZ hat das Gesetz über «entartete Kunst» übersehen. Die Beschlagnahmung von «entarteter Kunst» ist durch das Reichsgesetz geschützt und wird wohl auch von der jetzigen Bundesregierung durchgesetzt. Was die Lehre aus diesen Geschichten sind? Entartete Kunst ist ein Unwort, das juristisch durch entartetes Recht geschützt wird. Und: «Immer sind es die Schwächeren, die nach Recht und Gleichheit suchen, die Stärkeren aber kümmern sich nicht darum.» (Aristoteles) Es wäre Zeit, Aristoteles, über 2000 Jahre später, endlich zu widerlegen.
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